08
1997

Der kaukasische Kreidekreis – Das Tauziehen um das Recht der Internet-Domains

Das exponentielle Wachstum der Internet-Gemeinde stellt die Netz-Verwalter langsam aber sicher vor gewaltige Probleme. Beschwerden über Internet-Domain-Kollisionen und die schleppende Bearbeitung der Anträge hufen sich. Neue Top-Level-Domains sollen einen Ausweg bieten. Um das lukrative Recht der Namensvergabe ist nun ein erbitterter Streit entbrannt.

Mitte der achtziger Jahre, als das Internet fast ausschließlich wissenschaftlich genutzt wurde, unterstützte die amerikanische National Science Foundation (NSF) mit finanziellen Mitteln den Ausbau des Netzes. Wegen zunehmender Ausdehnung und Kommerzialisierung erhielt die amerikanische Firma Network Solutions, Inc. (NSI) durch Vertrag im Jahre 1993 das ausschließliche Recht, internationale Top-Level-Domains (.com, .org, .net, .int) zu vergeben und wurde so weltweit die einzige offizielle Vergabestelle. Durch eine Änderung des Vertrags 1995 erwarb NSI das Recht, eine Gebühr von 100 Dollar für eine anfängliche zweijährige Registrierung und 50 Dollar für die jährliche Verlängerung zu erheben. Seit 1995 hat NSI nach eigenen Angaben 1,2 Millionen Domains vergeben, 88% davon in der .com-Domain. Der Vertrag mit der NSF läuft spätestens im Mrz ’98 aus. Anfang Mai ging in Genf eine dreitägige Konferenz zur Neuorganisation der Vergabepraxis von Internet-Top-Level-Domainnamen zu Ende. Die gegenwärtige Vergabepraxis führte nämlich zu gewaltigen Problemen. Zum Abschluß wurde von 57 Organisationen eine gemeinsame Erklärung unterzeichnet, die das Ziel hat, das Monopol von NSI auf diesem Gebiet zu brechen.

REFORMVORSCHLÄGE

Initiiert wurde der Plan für die Neugestaltung vom International Ad Hoc Committee (IAHC), das im Oktober 96 von der Internet Assigned Numbers Authority (IANA) und der Internet Society ins Leben gerufen wurde. Auf der Homepage der IAHC (http://www.iahc.org), die inzwischen die Geschäfte auf ein Policy Oversight Committee übertragen hat, ist man sichtlich bemüht, den Eindruck zu erwecken, als finde der Vorstoß breite Zustimmung. Ein Blick hinter die Kulissen läßt aber Zweifel aufkommen. Zwar sind sich alle einig, da das Monopol ein Ende finden muß, jedoch sind die näheren Umstände umstritten. Neben dem IAHC haben noch der’ Monopolist NSI selbst sowie eine Ausreißergruppe, die sich enhanced Domain Name Service (eDNS) nennt. Reformvorschläge erarbeitet. Verkürzt dargestellt favorisiert das IAHC eine international besetzte Einrichtung, die über Gebühreneinnahmen finanziert wird, während NSI eine Privatisierung in der Weise anstrebt, da eine begrenzte Zahl von Registrierungsunternehmen jeweils maximal drei Top Level Domains vorschlagen und vermarkten darf. Die eDNS schließlich, die am 1.4.97 begann, eigene TLDs wie .per, .biz, .web anzubieten, will ebenfalls die Privatisierung, wobei die Regulierung aber lediglich den Gesetzen des Marktes unterworfen sein soll. Welcher der Vorschläge sich endgültig durchsetzen wird, ist zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht abzusehen. Ganz uneigennützig ist der Vorschlag der NSI zur Privatisierung natürlich nicht. Der Monopolist geht nämlich davon aus, da er an den begehrten Domains, die er bisher verwaltete, Eigentumsrechte hat. Nur die gelisteten Domain-Namen sind aber für alle Internet-User gleichermaßen zu erreichen. Über die anderen Domain-Namen können insgesamt nur ein halbes Prozent aller Internet-Nutzer verfügen. Unseres Erachtens sprechen genug Gründe gegen die Auffassung der NSI, so da sich der Vorschlag schwerlich in dieser Form durchsetzen wird. Der Ansatz der eDNS ist wohl zu radikal in den Forderungen, als da er Mehrheiten finden wird. Dies läßt sich auch einer Stellungnahme des amtierenden stellvertretenden Vorsitzenden der NSF, Joseph Bordogna, vom 23.4.97 entnehmen, der diesen Vorschlag erst gar nicht erwähnte.

Die Lösung der IAHC sieht die Errichtung sieben weiterer sogenannter generic TLDs (gTLD) vor, nämlich .firm, stre, .web, .arts, .rec, .info und .nom. Ursprünglich sollten maximal 28 Registrierungsstellen (maximal vier in jeder der sieben von der Welthandelsorganisation eingeteilten Regionen) entstehen. Unter den Antragstellern, die bestimmte Kriterien erfüllen muten, sollte das Los entscheiden. Sowohl von einer Auslosung als auch von der Anzahl der Registrierungsstellen ist man wieder abgerückt und beseitigte damit die Kritikansatzpunkte der Clinton-Regierung. Ob die Anmeldegebühr von 20.000 Dollar mit dem Wegfall des Losverfahrens ebenfalls obsolet geworden ist, ist unklar.

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