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1998

Ihr Recht im Tarifdschungel

Dutzende neuer Anbieter streiten um Anteile am neuen Telefonmarkt. Damit der Verbraucher dabei nicht auf der Strecke bleibt, hat der Gesetzgeber mit dem TKG und der TKV neue Spielregeln aufgestellt.

Die zentralen Grundsätze der neuen TKV (siehe Kasten) sind Nichtdiskriminierung und Transparenz des Leistungsangebots sowie die Sicherung eines Mindeststandards. Dies kommt darin zum Ausdruck, daß marktbeherrschenden Anbietern auferlegt wird, ihre Leistungen jedermann zu gleichen Bedingungen zur Verfügung zu stellen, solange dies sachlich gerechtfertigt ist. Sachlich voneinanderabgrenzbare Leistungen müssen von marktbeherrschenden Anbietern als eigenständige Leistungen angeboten und tarifiert werden und sind in Rechnungen als einzelne Leistungen getrennt auszuweisen. Schließlich sind Vereinbarungen, die zuungunsten des Kunden von den Regelungen der neuen TKV abweichen, unwirksam.

Schadenersatz und Verjährung

Wer gegen das TKG (siehe Kasten) oder gegen die TKV oder gegen eine in der Lizenz eines Anbieters festgelegte Verpflichtung oder gegen eine Anordnung der Regulierungsbehörde vorsätzlich oder fahrlässig verstößt, macht sich schadenersatzpflichtig. Einen solchen Verstoß und Vorsatz oder Fahrlässigkeit, also das Verschulden hat grundsätzlich der verletzte Nutzer zu beweisen. Da es für Außenstehende aber regelmäßig unmöglich sein dürfte, ein Verschulden im Organisationsbereich eines Anbieters zu beweisen, ist es zum einen denkbar, daß die Rechtsrechung eine Beweislastumkehr zu Lasten der Telekommunikationsanbieter einführt, soweit es um das Verschulden geht, oder aber Beweislastverteilungen nach Gefahr- und Verantwortungsbereichern vornimmt, wie dies auf anderen Sektoren bereits praktiziert wird. Zu ersetzen ist der tatsächliche Schaden des Nutzers. Bei Verletzung des Fernmeldegeheimnisses oder der Datenschutzerfordernisse dürfte ein Schaden schwer zu ermitteln sein. Ein „Schmerzensgeld“ kommt nur ausnahmsweise bei schweren Eingriffen in die Privat- oder Intimsphäre in Betracht, wenn hierdurch das allgemeine Persönlichkeitsrecht verletzt ist. „Die Haftung der Anbieter von Telekommunikationsdienstleistungen für die Öffentlichkeit für Vermögensschäden ist auf 25000 Mark je privatem Endverbraucher beschränkt.“ Die Anbieter untereinander können Haftungsbeschränkungen frei vereinbaren, dürfen aber die Summe der Mindesthaftungsbeträte gegenüber den geschädigten Endkunden des anderen Nutzers nicht unterschreiten. Gegenüber der Gesamtheit der Geschädigten ist die Haftungssumme rauf 20 Millionen Mark je schadenverursachendem Ereignis beschränkt. Für vorsätzliches Handeln entfallen die Haftungsbegrenzungen. Die Ansprüche der Anbieter gegen die Kunden und die der Kunden gegen die Anbieter verjähren in zwei Jahren gerechnet ab dem Ende des Jahres, in dem der Anspruch entstand.

Leistung und Gegenleistung

Im Rahmen der Grundversorgung hat der Kunde einen Anspruch auf einen Netzzugang, der es ihm erlaubt, nationale und internationale Anrufe zu tätigen und zu empfangen und der für Sprach-, Faksimile- und Datenkommunikation geeignet ist. Ist zu befürchten, daß der Kunde seinen vertraglichen Verpflichtungen nicht oder nicht rechtzeitig nachkommt, daß er also seine Rechnungen nicht oder nicht pünktlich zahlt, dürfen die Anbieter ihre Leistungen von einer angemessenen Sicherheitsleistung abhängig machen. Die Sicherheitsleistung kann im Wege der Hinterlegung von Geld oder durch Bürgschaft eines Kreditinstituts erfolgen. Wer Netzzugänge anbietet, darf einen Vertrag über solche Leistungen davon abhängig machen, daß dem Netzbetreiber für das betroffene Grundstück eine Einverständniserklärung des Grundstückseigentümers vorgelegt wird. Damit soll sichergestellt werden, daß der Anbieter von Netzzugängen seine vertraglichen Verpflichtungen auch erfüllen kann.

In technischer Hinsicht ist der Netzzugang unter Berücksichtigung der Open Network Provision (ONP) der EU an einer mit dem Kunden zu vereinbarenden, räumlich frei zugänglichen Stelle zu installieren. „Der Kunde muß die Möglichkeit haben, im Rahmen des Sprachtelefondienstes die Nutzung seines Netzzugangs durch eine netzseitige Sperrung auf bestimmte Arten von Rufnummern zu beschränken.“  Zugänge zu Vermittlungs-, Unterstützungs- und Auskunftsdiensten müssen gewährleistet sein. Marktbeherrschende Unternehmen haben auf Verlangen des Kunden auch nachts und an Sonn- und Feiertagen einer Störung unverzüglich nachzugehen. Die Nutzung bestimmter Kanäle darf vertraglich weder verboten noch vorgeschrieben sein. Vertragliche Vereinbarungen, die den Nutzungszweck beschränken oder nichttechnische Beschränkungen für Verbindungen von Übertragungswegen oder die Anschaltung von Endeinrichtungen enthalten, sind unwirksam. Dienstanbieter können bestehende Verträge durch Einbeziehung allgemeiner Geschäftsbedingungen abändern. Über Vertragsänderungen sind die Kunden in geeigneter Weise zu informieren. „Werden Verträge zuungunsten der Kunden geändert, haben diese ein Kündigungsrecht“, auf das sie auch hingewiesen werden müssen. Vor einem solchen Hinweis können belastende Veränderungen nicht wirksam werden. Das Kündigungsrecht des Kunden erlischt, wenn der Kunde nicht innerhalb eines Monats nach dem Hinweis davon Gebrauch macht.
„Rückwirkende  Vertragsänderungen sind nur zugunsten des Kunden zulässig.“ Wechselt der Kunde seinen Anbieter des Netzzugangs, kann die Kündigung des bisherigen Vertrags durch den neuen Anbieter entgegengenommen und dem alten Anbieter übermittelt werden. Diensteanbieter haben allgemeine Informationen für Endkunden zu veröffentlichen und in leicht zugänglicher Weise bereitzustellen.

Rechnungen

Auf Verlangen des Kunden hat der Anbieter im Rahmen der datenschutzrechtlichen Vorschriften  einen  kostenlosen  Einzelverbindungsnachweis für den Abrechnungszeitraum zu erteilen. „Soweit der Kunde nicht etwas anderes mit anderen Anbietern von Telekommunikationsdienstleistungen vereinbart hat, ist ihm von seinem Netzzugangsanbieter eine Rechnung zu erstellen, die alle Entgelte, also auch die anderer Anbieter enthält. Dabei müssen die einzelnen Anbieter zumindest mit der Gesamthöhe der auf sie entfallenden Entgelte auf der Rechnung zu erkennen sein. Die Zahlung an den Rechnungssteller befreit den Kunden von seiner Schuldnerstellung gegenüber den anderen Anbietern. Zum Zweck der Durchsetzung der Forderungen hat der Rechnungssteller den anderen Anbietern die erforderlichen Bestands- und Verbindungsdaten (also Adressen und Einheitendaten) zu übermitteln. Bei Teilzahlungen auf eine Rechnung wird im Zweifel angenommen, daß alle Anbieter anteilsmäßig im Verhältnis ihrer Forderungen zur Gesamtforderung befriedigt werden. Reklamiert der Endkunde eine Rechnung, so sind die Einzelverbindungen aufzuschlüsseln  und  eine  technische  Prüfung durchzuführen,  deren  Dokumentation  dem Kunden auf Verlangen vorzulegen ist. Der Kunde ist auf die gesetzlichen Fristen für Löschungen gespeicherter Verbindungsdaten in geeigneter Form hinzuweisen. „Die Beweislast für die technisch einwandfreie Erbringung der Leistung bis zur Telefondose obliegt dabei dem Anbieter“. Ergeben sich bei der Überprüfung Mängel, wird zunächst widerleglich vermutet, daß die Abrechnung falsch ist. Wird nachgewiesen, daß der Kunde nicht für die verursachten Kosten verantwortlich ist, muß er die betreffenden Entgelte nicht bezahlen. Ebenso gehen Manipulationen Dritter an den Netzen zu Lasten der Anbieter. Lässt sich die richtige Höhe einer Entgeltforderung nicht feststellen, werden die letzten sechs unbeanstandet gebliebenen Abrechnungszeiträume für Durchschnittswerte herangezogen. Dies gilt auch dann, wenn erhebliche Zweifel bestehen bleiben, ob nicht doch der Kunde die Verbindungsentgelte verursacht hat.

Der Kunde kann vorgeben bis zu welcher Entgelthöhe er monatlich die Dienstleistung in Anspruch nehmen will. Der Anbieter darf dann ohne Zustimmung des Kunden die Entgelthöhe nicht überschreiten.  Ein Anbieter darf die Inanspruchnahme von Leistungen ganz oder teilweise sperren, wenn der Kunde mit mindestens 50 Mark in Zahlungsverzug ist und eine geleistete Sicherheit verbraucht ist oder ein sonstiger wichtiger Grund vorliegt. Wichtige Gründe sind solche, die eine fristlose Kündigung des Vertragsverhältnisses rechtfertigen, beispielsweise die Gefährdung der Einrichtungen des Anbieters oder sprunghaft  ansteigende  Entgeltaufkommen, wenn gleichzeitig zu befürchten ist, daß ohne eine Sperre die Entgelte später nicht, nicht vollständig oder nicht rechtzeitig entrichtet werden und geleistete Sicherheiten verbraucht sind.  Sperren sind in solchen  Fällen ohne Ankündigung oder Wartefrist zulässig, in den übrigen Fällen nur zwei Wochen nach einer schriftlichen Androhung mit Rechtsbehelfsbelehrung. Die Androhung einer Sperre kann mit der Mahnung verbunden werden. Sperren sind nach Möglichkeit auf den betroffenen Dienst zu beschränken und sofort aufzuheben, wenn die Voraussetzungen für sie entfallen sind. Eine Vollsperrung darf erst nach einer mindest einwöchigen Abgangssperre erfolgen. Wenn gegen die Rechnung begründete Einwendungen erhoben oder ein Durchschnittsbetrag zahlt, oder wurde eine Stundungsvereinbar getroffen, hat eine Sperre zu unterbleiben.

Rufnummern und Verzeichnisse

Der Kunde erhält seine Rufnummern schriftlich von seinem Netzzugangsanbieter zuteilt,  dem  seinerseits  von  der  Regulierungsbehörde Rufnummernblöcke zugeteilt werden. Der Endkunde erhält mit der Zuteilung der Rufnummer ein dauerhaftes, anbieterunabhängiges, nicht rechtsgeschäftlich übertragbares Nutzungsrecht an der Rufnummer. Eine Änderung ihrer Rufnummer müssen Kunden nur dann hinnehmen, wenn Maßnahmen oder Entscheidungen der Regulierungsbehörde dies erfordern oder die Zuteilung auf falschen Angaben des Kunden beruht. Für eine Zuteilung darf ein Anbieter nur die mit der Zuteilung verbundenen Kosten verlangen.  „Der Kunde kann von seinem Diensteanbieter verlangen, in ein allgemein zugängliches Teilnehmerverzeichnis (Telefonbücher, Telefonauskunft) unentgeltlich eingetragen zu werden“. Die Verzeichnisse müssen mindestens Rufnummer, Name, Vorname und Anschrift des Teilnehmers enthalten. Natürlich hat der Kunde das Recht, Eintragung seiner Daten in solche Verzeichnisse ganz oder teilweise zu widersprechen. Er kann von seinem Diensteanbieter die in der Regel jährliche Überlassung eines Teilnehmerverzeichnisses mit den regionalen Rufnummern verlangen. (LA/AB)

INFO:

Die neuen Gesetze: TKG und TKV

Telekommunikationsgesetz (TKG)
Seit dem Inkrafttreten eines Teils des neuen Telekommunikationsgesetzes (TKG) zum 1.8.1996 besteht das der Deutschen Telekom AG übertragene Netzmonopol des Bundes nicht mehr. Dies bedeutet, daß Dritte seit diesem Zeitpunkt Telekommunikationsnetze errichten und betreiben dürfen, hierfür aber eine Lizenz benötigen.

Telekommunikations-Kundenschutzverordnung (TKV)
In der seit 1.1.1998 geltenden neuen Telekommunikations-Kundenschutzverordnung (TKV) sind zahlreiche Sonderbestimmungen für marktbeherrschende Unternehmen zu finden. Sie wurde aufgrund des neuen TKG erlassen und ersetzt die bisherige TKV 1995, deren einziger Regelungsadressat die Deutsche Telekom AG war. Zweck der neuen TKV ist insbesondere der Schutz der Nutzer. Dabei sind als Zielgruppe auch diejenigen erfasst, die Telekommunikationsdienstleistungen als Vorprodukte für eigene im Wettbewerb zu deren Anbietern erbrachten Leistungen nachfragen, also nicht nur der private Endverbraucher. Dies fließt aus dem Gedanken, daß der beste Verbraucherschutz ein funktionsfähiger Wettbewerb ist.

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