04
2000

Abmahnwelle im Internet – La Ola oder olala?

„Ja, aber ich habe doch nicht daran gedacht, private Endverbraucher anzusprechen!“ Dies ist meist die erste Reaktion eines Anbieters von Waren oder Dienstleistungen im Internet, der eine Abmahnung wegen irreführender Werbung und wegen eines Verstoßes gegen die Preisangabenverordnung (PAngV) erhält.

Wie darf man denn im Internet mit Preisen ohne Angabe der Umsatzsteuer werben? Seit der Änderung der PAngV durch das Multimedia-Gesetz“ (luKDG) im Sommer 1997 ist klar, dass auch Bildschirmanzeigen Ort eines Leistungsangebots sind und somit die Anwendbarkeit der PAngV auch im Internet gegeben ist. Sie als Großhändler oder Dienstleister, dessen Angebot sich ausschließlich an gewerbliche Kunden richtet, möchten nun auch im Internet Ihren Kunden die Waren oder Dienstleistungen präsentieren. Auf den Web-Seiten werden zu diesem Zweck die entsprechenden Produkte mit Nettopreisen beworben. Einige Wochen oder Monate später flattert Ihnen ein freundliches Schreiben eines Anwalts ins Haus, in dem man Sie auffordert, sofort Ihre Werbung zu unterlassen, da sie gegen die PAngV verstößt und darüber hinaus den Tatbestand des § 3 des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG) erfüllt. Als Streitwert wird ein fünfstelliger Betrag angenommen, woraus Gebühren in vierstelliger Höhe erwachsen, für deren Überweisung netterweise gleich die Kontoverbindung angegeben ist.

Der Schutzzweck der Regelungen

Während die PAngV mehr den Schutz des Letztverbrauchers betont, legt das UWG das Gewicht mehr auf die Situation der Mitbewerber. Beide Vorschriften sind jedoch von ihrem Schutzzweck her sowohl für die Allgemeinheit als auch für die Konkurrenten gedacht und sollen gewährleisten, dass der Wettbewerb in geordneten Bahnen abläuft. Dabei betrifft 3 UWG das Verbot der irreführenden Werbung. Bei der Prüfung, ob eine Angabe irreführend ist, kommt es nicht auf den äußeren Wortlaut und nicht darauf an, wie der Werbende selbst seine Aussage verstanden haben will. Entscheidend ist vielmehr die Auffassung der Verkehrskreise, an die sich die Werbung richtet. Daraus folgt auch, dass nicht jedermann eine Wettbewerbsverletzung ahnden kann, sondern nur Betroffene. Dies können andere Mitbewerber, Verbände zur Förderung gewerblicher Interessen, Verbraucherverbände und Industrie- und Handelskammern sein. Vor einiger Zeit häuften sich Abmahnungen, die nur dem Gebührenbeschaffungszweck dienten. , Diesen rechtsmissbräuchlichen Tätigkeiten wurde jedoch durch eine Einschränkung der Klagebefugnis entgegengewirkt.

Irreführende Preisangaben

Eine irreführende Preisangabe kann vorliegen, wenn Preise ohne Umsatzsteuer angegeben werden. Bei allen Arten von Lieferungen und Leistungen, auf deren Entgelt Umsatzsteuer zu entrichten ist, bildet der Umsatzsteueranteil einen Teil des vom Empfänger zu zahlenden Entgelts. Bei der Ankündigung von Endverbraucherpreisen ohne Hinweis darauf, dass zuzüglich zum Kaufpreis die anfallende Mehrwertsteuer zu zahlen ist, geht der Verbraucher davon aus, dass die Mehrwertsteuer im Preis enthalten ist. Die Werbung ist daher irreführend, wenn der Händler zusätzlich die Mehrwertsteuer verlangt. Selbst zwischen unbeschränkt umsatzsteuerpflichtigen Unternehmen besteht kein Handelsbrauch, wonach genannte Preise immer um die Mehrwertsteuer zu erhöhen seien. Hier kommt aber eine Ausnahmeregelung zum Zuge, die sich in § 7 PAngV findet. Gegenüber nichtprivaten Letztverbrauchern sollen die Schutzvorschriften der PAngV nicht angewendet werden. Nichtprivate Letztverbraucher sind solche, die die Ware oder Leistung in ihrer selbständigen beruflichen oder gewerblichen oder in ihrer behördlichen oder dienstlichen Tätigkeit verwenden. Das Internet wird nun aber in überwiegendem Umfang von privaten Letztverbrauchern genutzt. Den Weg aus diesem Dilemma wies das Oberlandesgericht Karlsruhe (Urt. V. 11.03.1998 – 6 U 141/97; rechtskräftig). Es entschied, dass die Angabe von Nettopreisen im Internet dann zulässig ist, wenn für jeden Leser ersichtlich ist, dass er die genannten Preise nicht entrichten muss, wenn er als Privatperson handelt. Das bedeutet, dass es auf das Layout der Web-Seiten ankommt, denn es muss für jeden Betrachter der Seiten sogleich ohne Mühe erkennbar sein, dass es sich um ein Angebot für Nicht-Privatleute handelt.

Markenschutz zum Abkassieren

Es lauern jedoch noch andere Abmahnfallen im Internet. Wenn sich zum Beispiel andere Unternehmer bestimmte Bezeichnungen als Marke schätzen lassen, können sie jeden Verwender der Bezeichnung abmahnen lassen. So geschieht dies unter anderem bei der Bezeichnung „Explorer“. Ein Münchener Unternehmer ließ sich diesen Begriff markenrechtlich schätzen und fand dann einen einschlägig bekannten Kollegen, der reihenweise Abmahnungen an die Verwender des Begriffs versendete. Das Unrühmliche an der Vorgehensweise ist, dass immer nur Kleinunternehmer als Opfer dieser Abmahnattacken ausgewählt werden. Die wehren sich häufig nicht, weil sie den Gang zum Rechtsanwalt aus Kostengesichtspunkten scheuen. Sie unterzeichnen dann lieber die Unterwerfungserklärung und zahlen zähneknirschend die Gebühr des Abmahnanwalts. In gleicher Weise verfuhr besagter Kollege übrigens hinsichtlich des Begriffs „webspace“. Auch hier wurden erst einmal nur die „Kleinen“ angegangen, bis die erste einstweilige Verfügung erwirkt war. Da dieses Vorgehen jedoch auf so heftige Resonanz in der Internet-Gemeinde  stieß, formierte sich schließlich organisierter Widerstand nach dem Motto „Alle für Einen, Einer für Alle“ gegen dieses Abzocke. Es wurde ein Rechtsanwalt damit beauftragt, das Löschungsverfahren bei dem deutschen Patent- und Markenamt (DPMA) in München einzuleiten. Sein Honorar wurde übrigens aus Spenden von Betroffenen gezahlt.

Die Falle wird schon wieder aufgestellt! Aktuell ist jetzt gerade wieder ein Fall, in dem die Zentrale zur Bekämpfung unlauteren Wettbewerbs e.V. in Frankfurt am Main eine Entscheidung des Oberlandesgerichts Hamburg zum Anlass nehmen könnte, die Inhaber bestimmter Domainnamen unter Beschuss zu nehmen. In seiner Entscheidung (Urt. v. 13.07.1999 – 3 U 58/98 (s. Wirtschaft in Mainfranken 2/2000, S. 59)) hatte das Gericht bestimmt, dass es eine Gefahr einer Wettbewerbsverzerrung bedeute, wenn Gattungsbegriffe wie „Mitwohnzentrale“ als Domainnamen verwendet werden. Dies könnte für zahlreiche Unternehmer, die sich Domainnamen wie „hunde.de“ oder „katze.de“ haben registrieren lassen, um Hundefutter oder Katzenstreu zu vertreiben, zu bösen Überraschungen führen. Die Betreiber von „mitwohnzentrale.de“ sind jedoch in Revision gegangen. Unter dem Aktenzeichen I ZR 216/99 wird sich daher der Bundesgerichtshof (BGH) vermutlich bis spätestens Mitte nächsten Jahres äußern. Die Urteilsbegründung des Oberlandesgerichts Hamburg wird von Kennern sogar so gelesen, als habe man es geradezu darauf angelegt, in dieser Sache einmal eine höchstrichterliche Entscheidung herbeizuführen. Solange kann jedenfalls noch Entwarnung gegeben werden.
Konstantin Malakas

Das sollten Sie sich merken!

Preisangaben für private Letztverbraucher:

  • geben Sie alle Preisbestandteile an
  • geben Sie immer Endpreise einschließlich Umsatzsteuer an
  • geben Sie nie „zirka“-Preise an geben Sie immer den Preis für das komplette Angebot einschließlich aller Nebenleistungen an
  • bei Dienstleistungen können Sie Verrechnungssätze (Stundensätze, Kilometersätze, Arbeitswerte) angeben
  • wenn Leistungen über den Bildschirm erbracht werden, ist dem Kunden eine gesonderte Anzeige über den Preis der fortlaufenden Nutzung unentgeltlich anzubieten
  • ein solcher mitlaufender Gebührenzähler sollte auf Wunsch des Kunden deaktiviert werden können
  • vermeiden Sie unbedingt „Tricks“ bei preisbezogenen Äußerungen
  • Preisangaben für gewerbliche Kunden: Gestalten Sie die Seiten so, dass jeder Leser eindeutig erkennt, dass es sich um Preise für gewerbliche Kunden handelt.

Verhalten bei Abmahnungen:

  • prüfen Sie, ob sich ein Verfahren wegen der Sache lohnt
  • verlangen Sie eine Fristverlängerung
  • geben Sie nötigenfalls die Unterwerfungserklärung ab
  • argumentieren Sie schriftlich, warum die Abmahnung Ihrer Ansicht nach ungerechtfertigt ist
  • zahlen Sie die Anwaltsgebühr nicht
  • warten Sie ab, ob die Gebühren eingefordert werden
  • verhandeln Sie über die Höhe der Gebühren
  • ein Ansatzpunkt für Verhandlungen über die Höhe der Gebühren ist der Streitwert

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