02
2000

Alles was recht ist: Forderungsdurchsetzung im Internet

Geld her, oder…? Wer das Internet verwenden will, um etwas zu verkaufen, kann derzeit noch mit Fug und Recht von sich behaupten, ein Pionier zu sein. Dabei gibt es eigentlich schon zahllose Anbieter von Software, Waren und Dienstleistungen, die um die Gunst des Surfers werben. Allerdings erfolgt die Abwicklung der Internet-Geschäfte sehr unterschiedlich.

Der größte Teil des im Internet erzielten Umsatzes in Deutschland wird von den großen Versandhäusern und Kaufhausketten getätigt. Hier handelt es sich streng genommen aber nicht um ein Internet-Rechtsgeschäft im engeren Sinne. Vielmehr wird der WWW-Dienst des Internets in solchen Fällen lediglich als Marketinginstrument verwendet, um dem Kunden zum Beispiel Katalogseiten zu übermitteln. Auch wenn der Bestellauftrag des Kunden der Einfachheit halber über das Internet gesendet wird, ist das Vertragsverhältnis damit noch lange kein reines Internet-Geschäft. Die Annahmeerklärung des Verkäufers erfolgt nämlich in diesen Fällen meist außerhalb des Internets stillschweigend durch schlüssiges Verhalten, also durch das Bereitstellen der Waren zum Versand. Die Abgabe des Kaufangebots durch den Kunden über das Internet unterscheidet sich aber grundlegend vom herkömmlichen Anruf bei der Bestell-Hotline. Die Willenserklärung erfolgt im Internet nämlich unter Abwesenden.

Internet-Geschäfte zu üblichen Zeiten

Nur wenn der Kunde in real-time, also vielleicht über den Internet-Relay-Chat (IRC) seinen Bestellauftrag übersenden würde und ein Mitarbeiter auf der anderen Seite diese Mitteilung unmittelbar ohne wesentliche zeitliche Verzögerung entgegennehmen könnte, handelte es sich um Willenserklärung unter Anwesenden, wie beim Telefonieren. Das hat Folgen für die Frage, ob der Kunde an sein Angebot gebunden ist. Kundenangebote per E-Mail gelten als zugegangen, wenn sie so in den Empfangsbereich des Anbieters gelangen, dass dieser unter normalen, Verhältnissen die Möglichkeit hat, vom Inhalt der Erklärung Kenntnis zu nehmen Als „Empfangsbereich“ gilt dabei der „E-Mail“-Briefkasten. Es ist in Lehrmeinungen umstritten, ob es einen Unterschied macht, wenn die Mails physikalisch auf einem Rechner des Unternehmers ankommen oder bei einem Provider zwischengelagert werden. Meines Erachtens kann dem Kunden jedoch nicht das Risiko der Übermittlung von E-Mails vom Provider an den Unternehmer aufgebürdet werden, da der Unternehmer selbst die technische Form des Kommunikationsweges wählt. Die Erklärung, die noch auf dem Mail-Konto des Unternehmers beim Provider liegt, ist ihm also dann zugegangen, wenn mit einem Abruf der Mail durch den Empfänger üblicherweise gerechnet werden kann. Eröffnet der Internet-Anbieter nicht ausdrücklich eine „24-Stunden-Bestellannahme“, so gelten die üblichen Geschäftszeiten für den Zugangszeitpunkt. Das heißt, dass eine Bestellung, die über das Internet nach 18.00 Uhr eingeht, erst am nächsten Morgen zu den üblichen Geschäftszeiten, also gewöhnlich zwischen 8.00 und 9.00 Uhr zugeht.

Reicht es am Telefon im Bestellgespräch schon aus, „Nein, halt, ich hab’s mir anders überlegt!“ zu rufen, muss der Kunde bei einer bereits abgesendeten Bestellung im Internet die Bindungswirkung seines Angebots gegen sich gelten lassen. Aus der Bindung an das Angebot entsteht bereits ein gegenseitiges Vertrauensverhältnis, das den Kunden zum Schadenersatz aus Verschulden bei Vertragsverhandlungen verpflichtet. Geht der Widerruf des Kunden einer Internet-Bestellung dem Anbieter allerdings gleichzeitig mit der Bestellung zu, wie im Beispiel am nächsten Morgen zu den üblichen Geschäftszeiten, dann ist der Widerruf wirksam. Bei einer 24-Stunden-Bestellannahme hat der Kunde umgekehrt also eigentlich nie die Chance, seine Bestellung zu widerrufen, da der Widerruf zeitlich immer später als die Bestellung zugeht. Bestellt der Kunde zur normalen Geschäftszeit per E-Mail und sendet seinen Widerruf nach den üblichen Geschäftszeiten ab, geht der Widerruf ebenfalls ins Leere.

Es empfiehlt sich, dem Besteller spätestens innerhalb von drei Werktagen nach Zugang der Bestellung eine Auftragsbestätigung zukommen zu lassen, um eventuelle versteckte Willensmängel aufzudecken. Dabei ist es letztlich gleich, ob hierfür der elektronische oder der herkömmliche Postweg verwendet wird. In den meisten Fällen wird ein Anbieter wünschen, dass seine zulässigen AGB wirksam in den Vertrag einbezogen werden. Dies geht im Internet nur, wenn dem Kunden in zumutbarer Weise Gelegenheit zur Kenntnisnahme gegeben wurde. Zumutbar ist es, wenn die AGB durch nur einen einzigen Mausklick abrufbar sind. Der Anbieter sollte dafür Sorge tragen, dass die AGB nicht umfangreicher als etwa eine Seite sind, dass sie von jeder Seite aus abgerufen werden können, dass sie als Download zur Verfügung stehen oder auf handelsüblichen Druckern ohne Zeichenverluste durch Umbrüche etc. ausgedruckt werden können.

Selbst wenn aber nun eine Erklärung in Text-Form, also zum Beispiel als E-Mail dem Verkäufer zugeht, kann er sich nicht sicher sein, dass diese Erklärung in der ihm zugegangenen Form auch tatsächlich von dem Absender der Mail stammt. Das liegt daran, dass eine unverschlüsselte Mail grundsätzlich von jedermann verfälscht werden kann. Ohne, dass sich digitale Signaturen, wie die von PGP erzeugten flächendeckend durchsetzen, wird derjenige, der die Beweislast für den Zugang einer Willenserklärung trägt, es schwer haben, den Vollbeweis zu führen, dass der andere tatsächlich eine bestimmte Erklärung ihm gegenüber abgegeben hat. Allerdings gelten nach den gegenwärtigen gesetzlichen Regelungen in Deutschland digitale Signaturen auch nur als Indizien und noch nicht als Beweise. Sie sind der eigenhändigen Unterschrift eben nicht gleichgestellt.

Weitere Unsicherheitsfaktoren sind in diesem Zusammenhang auch die Geschäftsfähigkeit des Vertragspartners und Fehler bei der Abgabe von Willenserklärungen, wie zum Beispiel das versehentliche Klicken auf den Bestellbutton. Diese ganze Beweisproblematik hat aber in den letzten Jahren noch niemanden davon abgehalten, Millionenumsätze aus Warenverkäufen und Dienstleistungen über das Internet zu realisieren. Das reale Leben funktioniert glücklicherweise auch ohne, dass für alle denkbaren Sachverhalte eine juristische Lösung parat wäre.

Bei Preisangaben sollte für den Endkunden immer der Endpreis klar ersichtlich sein. Tricks und Kniffe, um den Preis zu schönen, sollten vermieden werden. Wer sein Angebot im Internet ausschließlich an Gewerbetreibende richtet, darf seine Preise auch ohne Mehrwertsteuer angeben. Allerdings muss das komplette Layout der Web-Site unzweifelhaft erkennen lassen, dass das Angebot sich ausschließlich an den Personenkreis des § 7 Ziff. 1 Preisangabeverordnung (PAngVO) richtet.

Internet-Geschäfte im engeren Sinn

Ist der Online-Shop so gestaltet, dass die angebotene Ware nicht über den herkömmlichen Versandweg an den Kunden gelangt, sondern vom Kunden direkt über das Internet bezogen werden kann, wird man von einem Internet-Geschäft im engeren Sinne sprechen können. Hier werden alle den Vertrag charakterisierenden Erklärungen und Handlungen über das Internet abgewickelt. Insbesondere erfolgen zumindest Teile der Vertragserfüllung mit Mitteln des Internets. Das Paradebeispiel ist der Verkauf von Software über das Netz, oder die Veräußerung digitalisierter Musik- oder Filmwerke. Aber auch Dienstleistungen, wie Beratungen oder der Abruf von Datenbankinformationen etc. können hierunter fallen. Auch bei dieser Form der Vertragsdurchführung geht der Anbieter gegenwärtig noch häufig in Vorleistung und rechnet über gewöhnliche Rechnung oder Einzugsermächtigung in Papierform ab.

Es werden jedoch zunehmend Leistungen im Internet angeboten, die für den Händler auch aus dem Grund besonders interessant sind, da der Kunde hier anders als bei den oben genannten Versandhandelsgeschäften mehr Verständnis für eine Vorauskasse aufbringt. Beispielsweise sind Bestellungen von Konzertkarten oder Last-Minute-Flug-Tickets naturgemäß auf einen einmaligen Anlass beschränkt. In diesen Fällen ist eine Abonnementlösung mit Autorisierung über Geheimzahlen nicht zweckmäßig. Der Anbieter nimmt Ticketreservierungen sinnvollerweise nur dann vor, wenn er über eine sofort erfolgende Kreditkartenzahlung eine gewisse Sicherheit der Deckung durch den Besteller hat. In den USA ist dabei die Akzeptanz der Kreditkarteneinsätze im Internet wesentlich höher als in Deutschland. Die Gefahr des Ausspähens der Kreditkartendaten ist zwar grundsätzlich gegeben, doch bieten zum einen browsergestützte Verschlüsselungsprotokolle wie SSL bei Netscape oder Abwicklungen über entsprechende Broker, die den Datenabgleich mit dem Kreditkartenunternehmen besorgen, eine gewisse Sicherheit. Problematisch für den Händler ist allerdings auch hierbei, dass die Geschäftsbedingungen der Kreditkartenunternehmen zwar diese papierlose Form der Kreditkartendatenübermittlung vorsehen, das Risiko der Stornierung einer Buchung aber beim Händler verbleibt.

Konstantin Malakas

Tipps zum Verkaufen und Kaufen im Internet:

  • Jeglicher E-Mail-Verkehr mit Kunden sollte so gesichert werden, dass nötigenfalls Hardcopies erstellt werden können.
  • Nach Möglichkeit Auftragsbestätigungen an den Kunden versenden.
  • Unter Berücksichtigung des auf bestimmte Internet-Geschäfte anwendbaren Verbraucherkreditgesetzes sollte den Kunden ein unbeschränktes 10-tägiges Rückgaberecht eingeräumt werden.
  • Die Fernabsatzrichtlinie bestimmt, dass vor Abschluss des Vertrages über die Identität des Lieferers, wesentliche Eigenschaften der Ware, Preis, Zahlungsmodalitäten, das 7-tgige Widerrufsrecht, die Gültigkeitsdauer des Angebots und des Preises informiert werden muss.
  • Bei internationalen Verträgen ist Gerichtsstand für die Kaufpreisklage der Wohnsitz des Käufers; ist jedoch UN-Kaufrecht anwendbar, ist der Sitz des Verkäufers Erfüllungsort und damit auch Gerichtsstand.
  • Ein Verbraucher ist bei Verträgen mit Bezug zum europäischen Ausland hinsichtlich des Gerichtsstands besonders geschützt; er kann nur an seinem Wohnsitz verklagt werden.

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