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1999

Anwälte: Eintragung der Marke war ein Fehler Abmahnungen wegen „Webspace“ nicht berechtigt

Nach Meinung von Patent- und Markenexperten läßt sich der Begriff „Webspace“ nicht als Marke durchsetzen. Damit wären alle Abmahnungen hinfällig, die vom Rechtsanwalt von Gravenreuth an etliche Internet-Provider geschickt wurden, die den Begriff benutzten, um ihr Angebot zu beschreiben. Die Rechtsgelehrten sind sich einig: Der Begriff hätte nie als Marke eingetragen werden dürfen.

Kurz nach der Veröffentlichung des Markenschutzes hatte es Abmahnungen an deutsche Internet-Service-Provider gehagelt, die den Begriff „Webspace“ auf ihren Internet-Seiten verwenden (siehe auch CW 30/99, Seite 1). Verschickt wurden die Schreiben vom Münchner Anwalt Günter Freiherr von Gravenreuth, dem Rechtsvertreter des Markeninhabers Klaus Thielker aus Lünen. Statt der Aufforderung, eine Unterlassungs- und Verpflichtungserklärung zu unterschreiben, bot von Gravenreuth einigen Providern einen Lizenzvertrag an, der ihnen auch weiterhin die kostenlose Verwendung der Bezeichnung „Webspace“ erlaubt. Thielker spekulierte offenbar darauf, daß die Abgemahnten von ihren Anwälten schlecht beraten werden oder sich keinen Rechtsbeistand leisten können, und wandte sich insbesondere an kleine Provider. In ein paar Fällen ging die Rechnung auf: Einige Unternehmen nahmen tatsächlich ihre Homepage vom Netz, unterzeichneten die Unterlassungs- und Verpflichtungserklärung und zahlten die für die Abmahnung fälligen Anwaltsgebühren an von Gravenreuth. Zudem unterschrieb so mancher auch den Lizenzvertrag. In diesem Fall handelte es sich jedoch umeine unberechtigte Abmahnung, denn die Marke „Webspace“ sei erstens nicht „rechtsbeständig“ und zweitens nicht durchsetzbar gegen Benutzer, die den Begriff in rein beschreibender Weise einsetzten, erklärt Robert Schnekenbühl, Patentanwalt, Rechtsanwalt und European Trademark Attorney im Münchner Büro der internationalen Kanzlei DTS Patent- und Rechtsanwälte. Eine Marke setzt sich aus einem „Zeichen“ und einer Ware oder Dienstleistung zusammen. Ein Zeichen ist beispielsweise „BMW“ oder „Persil“. Im Waren- und Dienstleistungsverzeichnis von Persil steht dann „Waschmittel“, in dem von BMW „Automobile“. So definiert, genießt die Marke Schutz. „Webspace“ ist jedoch kein mit Persil oder BMW vergleichbares Zeichen, denn Thielker ließ sich den Begriff für die Services Beratung, Konzeption und Gestaltung von Internet-Präsentationen sowie Bereitstellung der für die Internet-Präsentationen benötigten Hard- beziehungsweise Software sowie die Durchführung der technischen Umsetzung“ eintragen. Dieses Zeichen sei insbesondere für die Bereitstellung der für die Internet-Präsentationen benötigte Hard- beziehungsweise Software glatt „beschreibend“ und verstoße gegen Paragraph 8 Absatz 2 Nummer 2 des Markengesetzes (MarkenG), stellt Schnekenbühl fest. Diese Auffassung teilen auch andere Anwälte. „Das Deutsche Patent- und Markenamt hat einen Fehler gemacht, der zu 99 Prozent korrigiert wird“, gibt sich Patentrechtsexperte Schnekenbühl überzeugt.

Was viel wichtiger ist, in der laufenden Diskussion jedoch oftmals übersehen wurde: da eine solche Marke auch nicht gegen jemanden durchgesetzt werden kann, der diesen Begriff als beschreibende Angabe nutzt, und das trifft auf viele deutsche Provider zu. Hier hat das neue Markenrecht eine automatische Sperre eingebaut, den Paragraphen 23 des Markengesetzes. „Eine Marke, die mit dem Löschungsgrund des Paragraphen 8 Absatz 2 Nummer 2 angreifbar ist, läßt sich fast nie durchsetzen“, meint Schnekenbühl. Damit sei es zur Abwehr der Abmahnung und zur eigenen Gegenabmahnung nicht einmal erforderlich, einen Löschungsantrag zu stellen. Dennoch unterschrieben einige Firmen die Unterlassungs- und Verpflichtungserklärung, mit der sie zusagen, den Begriff „Webspace“ nicht mehr zu verwenden. „Immer wenn sie das tun, müssten sie Thielker 10 000 Mark zahlen, und zwar selbst dann, wenn die Marke schon nicht mehr existiert“, gibt Schnekenbühl zu bedenken. Sie könnten sich von diesem Vertrag zwar wieder über den Wegfall der Geschäftsgrundlage lösen, dies erfordere jedoch erneut Zeit und Aufwand. Statt die Unterlassungs- und Verpflichtungserklärung zu unterschreiben, rät Schnekenbühl seinen Mandanten, den Abmahnenden ihrerseits mit einer Gegenabmahnung zu belegen. „Die Abmahnung von Herrn Thielker, die Benutzung des gebräuchlichen Begriffs Webspace für die Bereitstellung von Speicherplatz im Internet aufgrund der angeführten Markenrechte zu unterlassen, ist unberechtigt“, klärt Schnekenbühl auf. „Gegen die Abmahnung Thielkers können die betroffenen Firmen mit einer Gegenabmahnung vorgehen. Die hieraus resultierenden Kosten muß im Ergebnis natürlich der unberechtigt Abmahnende tragen“, so der Anwalt weiter. Auf Thielker kämen so enorme Anwalts- und, falls er nicht sofort einlenke, Verfahrenskosten zu und er werde sich überlegen, ob es sich lohnt, weitere rechtliche Schritte einzuleiten. Dennoch hat Thielker die erste einstweilige Verfügung gegen die Verwendung des Begriffs durchsetzen können (Beschluß des Landgerichts Köln, Aktenzeichen 84 0 48/99). Offenbar zu unrecht: „Wer als Provider Webspace rein beschreibend benutzt, etwa ,wir bieten fünf MByte Webspace an‘, hat sich nichts zuschulden kommen lassen“, meint Schnekenbühl. Der Richter wurde offenbar nicht vom Abgemahnten informiert, da er ‚webspace‘ lediglich wie in der Branche übrig als Statt einen Vertrag zu unterschreiben, zahlte es die in Unterhaching bei München ansässige What’s up AG Thielker mit gleicher Münze heim. Das Unternehmen ist der Ansicht, ältere Rechte an dem Begriff „Webspace“ zu besitzen, und ließ Klaus Thielker deshalb durch seine Rechtsvertreter abmahnen. Nach Angaben des Dienstleistungsunternehmens hat Thielker inzwischen eine Teilunterlassungserklärung abgegeben. Unterdessen nahm auch das durch eine Flut von E-Mails sichtlich genervte Patent- und Markenamt zu dem Fall Stellung. Neben einigen erläuternden Abschnitten bemerkt das Amt, da sich die Verbietungsrechte aus der Marke nicht auf eine „Verwendung des Namens eines Dritten“ erstrecke. Dies beziehe insbesondere auch nicht die Nutzung eines der Marke identischen oder verwechselbaren Wortes oder Bildes mit ein. Anders ausgedrückt: Die Sache ist wohl gegessen. Meint das Patentamt damit doch nichts anders, als da die beschreibende Benutzung des Begriffs ,Webspace‘ weiterhin statthaft ist. Zudem hat eine vom Düsseldorfer Rechtsanwalt Jochen Krieger geleitete Initiative bereits Ende Juli die Löschung der Marke Webspace beantragt. Noch vor zehn Jahren habe das Deutsche Patent- und Markenamt (DPMA) die Eintragung von Marken sehr restriktiv gehandhabt, erläutert Konstantin Malakas, Rechtsanwalt aus Würzburg mit Tätigkeitsschwerpunkt DV/ Telekommunikations-, Medien- und Wettbewerbsrecht. In den letzten Jahren mache sich jedoch eine Änderung der Eintragungspraxis bemerkbar. Dies könne unter anderem an der wachsenden Popularität des Internet liegen, so Malakas. Die Handhabung der absoluten Eintragungshindernisse durch das DPMA ist jedenfalls laxer geworden. „Das hängt möglicherweise mit der EU-weiten Reglementierung der vor einiger Zeit eingeführten Gemeinschaftsmarke zusammen“, kommentiert Malakas.

Lizenzvertrag

Zur Klientel des Thielker-Anwalts von Graventruth gehören auch Internet-Service-Provider. Da ein Anwalt in einen Interessenkonflikt geraten würde, wen er gegen seine eigene Mandantschaft vorgehen müßte, darf er nicht im Interesse von Thielker gegen diese vorgehen. Deswegen kam von Gravenreuth auf die Idee, einen Entwurf eines Lizenzvertrags an seine ehemaligen und derzeitigen Mandanten unter den Providern zu senden.

Dieser Lizenzvertrag sieht keine Lizenzgebühr vor. Jedoch soll sich der Vertragspartner dazu verpflichten, an der Aufrechterhaltung der Marke mitzuwirken und Verstöße an den Lizenzgeber zu melden. Ferner darf laut Vertragstext nur Thielker gegen einen Verstoß vorgehen. Allerdings soll dem Lizenzgeber das Rech eingeräumt werden, den Lizenznehmer zur finanziellen Mitwirkung heranzuziehen.

Ein weiterer Passus sieht vor, daß sich der Vertragsunterzeichner nicht an Aktionen gegen den Lizenzgeber beteiligen darf. Wer also beispielsweise bei der Kampagne www.markengrabbing.de mitmacht, würde gegen en Vertrag verstoßen , falls er diesen ungeändert unterschreibt.

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