25
2000

Domain-Händel

Internet-Adressen werden zum knappen Gut

Domain-Namen werden derzeit versteigert wie wertvolle Briefmarken. Die Blaue Mauritius ’business.com’ ging krzlich für 7,5 Millionen US-Dollar über den virtuellen Auktionstresen. Streitigkeiten um vermeintlich wertvolle Adressen beschäftigen besonders hierzulande ganze Scharen von Rechtsanwälten und Richtern. Dabei sind die Besitzverhältnisse im Internet-Namensraum eigentlich weitgehend geklärt.

Alle zehn Sekunden wird bei der deutschen Registraturstelle für Domain-Namen (DeNIC) eine neue .de-Domain eingetragen. Ende 2000 wird es über 3,5 Millionen Internet-Adressen mit der Endung .de geben. Nach Recherchen des Domain-Namen-Suchdienstes Carambole ist die .de-Domain-Zone die größte in Europa. Nur in den USA sind weltweit mehr Webadressen registriert. Zum Vergleich: Im November 2000 gab es weniger als 400 000 .it-Domains (Italien) und ganze 29 000 .es-Domains (Spanien). Zwar gibt es im Intemet-Namensraum nahezu unendlich viele noch nicht vergebene Namen, aber die wirklich begehrten davon werden vor allem in Deutschland immer rarer, sie mutieren vom öffentlichen zum knappen, wirtschaftlich relevanten Gut. Daran wird voraussichtlich auch die anstehende neue Regelung für Top Level Domains (TLDs) der Internet Corporation for Assigned Names and Numbers (ICANN) nichts ändern, weil sie hiesiges Namens- und Kennzeichenrecht nicht tangiert [1]. Der Handel mit wertvollen Adressen blüht gerade rasant, findige und windige Zeitgenossen spekulieren auf die schnelle Mark. So genannte ’Domain-Grabber’ reservieren beispielsweise von führenden Unternehmen genutzte Begriffe als Domain-Namen in der Hoffnung, die Domains zu einem hohen Preis an die betroffenen Unternehmen weiterverkaufen zu können. Beliebt bei den Händlern sind Begriffe wie italien.de oder domainname.de – Wörter aus dem allgemeinen Sprachgebrauch also, auf die keine Person und kein Unternehmen ein besonderes Anrecht haben kann, weil es sich um Begriffe handelt, die markenrechtlich nicht geschützt werden können. Gerade diese Begriffe sind jedoch wirtschaftlich lukrativ, da sie in Suchmaschinen bei den entsprechenden Stichwörtern bevorzugt aufgelistet werden und Internet-Nutzer wie von verschiedenen Beratungsstudien belegt gerne an ein Suchwort einfach ’.de’ anhängen, wenn sie eine Information über diesen Begriff im Internet zu lokalisieren versuchen. Solche Domain-Namen, die sich gut als Besuchermagnet eignen, können nach bisherigem Recht relativ problemlos gehandelt werden. Das kann sich jedoch bald ändern. Der Bundesgerichtshof (BGH) hat die Revision im Prozess um den Domain-Namen ’mitwohnzentrale.de’ [2] angenommen. Mit einer Entscheidung wird etwa im Sommer 2001 gerechnet. Das Oberlandesgericht (OLG) Hamburg hatte entschieden, dass sich einen wettbewerbswidrigen Vorteil vor seinen Konkurrenten verschafft, wer das eben beschriebene Nutzerverhalten ausnutzt und dabei lediglich auf sein eigenes Angebot aufmerksam macht. Die Revision rügt unter anderem, dass das Gericht dieses Nutzerverhalten als gegeben angenommen und somit als gerichtsbekannt dargestellt hat. Sollte das Urteil des OLG Hamburg aufrechterhalten bleiben, werden künftig nur noch Portalanbieter beschreibende Begriffe registrieren lassen können, ohne eine Wettbewerbsverletzung zu begehen.

Freie Domain-Wirtschaft Der Handel mit Domain-Namen läuft in der Praxis auf zwei Wegen ab. Zum einen machen potenzielle Käufer die Domain-Inhaber in der offiziellen DeNIC-Datenbank ausfindig und kontaktieren sie direkt. Auf der anderen Seite gibt es organisierte Börsen [3], die ähnlich virtuellen Kleinanzeigenmärkten den Handel erleichtern. Auch wenn über Transaktionspreise und -volumen noch wenig bekannt ist, einige Anhaltspunkte gibt es: So kosten die meisten der auf Great-Domains verkauften Domain-Namen um die 5000 US-Dollar. Im deutschen Markt sind es laut Sedo.de weniger. Hier gehen die meisten Domains für 2000 bis 5000 Mark über den Tisch. Nach einer Studie an der Universität Köln, die die Nutzung von Domains in einer Stichprobe untersucht hat, sind 55 Prozent aller .de-Domain-Namen ungenutzt. Weitere 30 Prozent werden nur als Neben-Domains (so genannte Co-Domains) oder für Privathomepages genutzt. Es wird außerdem vermutet, dass ihre Eigner den Groteil dieser Domains schon bei Geboten von wenigen hundert Mark wieder verkaufen würden. Diese Zahlen decken sich ungefähr mit aktuellen Statistiken des größten deutschen Webhosters Strato. Über Strato sind etwa 1,3 Millionen .de- sowie 150000 internationale Domains angemeldet (Stand: 11/00). Nach Angaben von Strato-Sprecher Sören Heinze werden nur 65 Prozent dieser Domains tatsächlich genutzt. Zurzeit sind etwa 100000 deutsche Domains und über zwei Millionen .com-Domains in virtuellen Domain-Börsen inseriert, mit stark steigender Tendenz. Dabei verwenden die Plattformen in den meisten Fällen zur Preisbestimmung entweder einen Auktionsmechanismus, oder die Kunden geben direkt ein Inserat ’auf Verhandlungsbasis’ auf. Hier stellt sich die Frage nach der Einschätzung von Preisen für Domain-Namen. Zwei Faktoren spielen eine große Rolle. Zum einen sind Domain-Namen umso teurer, je begehrter die TopLevel-Domain ist: Ganz oben rangiert die .com-Domain. Für die Domain business.com wurde der Rekordpreis von 7,5 Millionen US-Dollar bezahlt. Deutsche Begriffe, kombiniert mit der .de-Endung, liegen preislich hinter ihren .com-Pendants. Exotische Domains wie .cc oder .ws haben ein schlechtes Image und sind deshalb noch billiger zu haben. Kleinere (Insel-)Staaten versuchen seit neuestem, aus der Domain-Namenknappheit Kapital zu schlagen und verkaufen Domains unter ihrer Endung (beispielsweise .ag für Antigua oder .tv für Tuvalu) auch an Personen und Unternehmen anderer Staaten. Erfolg verspricht dies bis jetzt vor allem bei Staaten mit interessanten Top-Level-Domains wie eben ’ag’ (=Aktiengesellschaft), ’tv’ (=Television) oder ’nu’ in Skandinavien (=’jetzt’). Als zweiter Faktor spielt der Begriff selbst eine Rolle. Hier ist die Kürze des Domain-Namens nicht allein entscheidend. Viel wichtiger ist, ob sich die Websurfer den Namen gut merken können, was verbunden ist mit einer hohen kommerziellen Verwertbarkeit der Domain. So ist der Wert von Domains wie italien.de, shopping.de oder reise.de im Übereich von über 100 000 Mark anzusiedeln, während mailand.de, guenstigshoppen.de und reise-online.de eher im Bereich unter 5000 Mark liegen. Angesichts dieser Summen neigen Privatpersonen oft dazu, bei Streitigkeiten um Domain-Namen vorschnell klein bei zu geben. Ein kurzer Abriss soll zeigen, wie die Rechte bei Domain-Namen verteilt sind und welche Möglichkeiten es gibt, diese Rechte geltend zu machen. Prinzipiell ist jeder Bürger Inhaber einer geschätzten Bezeichnung, nämlich seines eigenen Namens. §12 BGB räumt dem Berechtigten die Möglichkeit ein, gegenüber demjenigen, der das Namensrecht bestreitet oder unbefugt den gleichen Namen gebraucht, die Beseitigung der Beeinträchtigung zu fordern und für den Fall, dass weitere Beeinträchtigungen zu befürchten sind, auf Unterlassung zu klagen. Wer also einen Domain-Namen anmeldet, der mit seinem Familiennamen identisch ist, hat wenig zu befürchten. Es sei denn, er nutzt seine Website nach der Registrierung des Domain-Namens ausweislich des Inhalts für kommerzielle Zwecke. Wer ohne nachvollziehbares eigenes Interesse eine Internet-Domain registrieren lässt, die mit dem eigenen Namen und der eigenen Tätigkeit in keinem Zusammenhang steht, die aber gleich lautend mit der Marke eines Unternehmens ist, kann wegen schikanöser, sittenwidriger Behinderung aus §§ 826, 226 BGB auf Unterlassung in Anspruch genommen werden. So entschied vor kurzem das OLG Frankfurt am Main im Fall ’weideglueck.de’ [4].

Mein Name gehrt mir!

Das Landgericht Hamm hat im Verfahren zum Domain-Namen krupp.de [5] dem Konzern Krupp die künftige Nutzung des Domain-Namens zugesprochen, obwohl der Registrant selbst Krupp heißt und er bei der Domain-Namensregistrierung schneller als der Konzern war. Weil er eine Firma hat und damit seinen Auftritt geschäftlich nutzt, hat er, so die Entscheidung, die Markenrechte Dritter, nämlich des Krupp-Konzerns verletzt. Die Bezeichnung ’krupp’ sei so bekannt, dass sich ein Interessent vorstellt, er gelange bei Eingabe des Domain-Namen krupp.de auf die Seiten des Konzerns und nicht auf diejenigen der Online-Agentur Krupp. Soweit jedoch die Herausgabe der Domain verlangt wurde, begehrte die Klägerin eigentlich mehr, als die Gesetze zugestehen. Zwar hatte das Landgericht in der Krupp-Entscheidung tatsächlich die Zustimmung zur Übertragung des Domain-Namens verfügt, jedoch ist dies bedenklich. Eine solch weitgehende Verpflichtung hat der Gesetzgeber nicht explizit vorgesehen. Hier ist lediglich von Beseitigungs- und Unterlassungs-, aber nicht von Herausgabeansprüchen die Rede. Aus diesem Grund hat das Oberlandesgericht Hamm das Urteil des Landgerichts Hamm abgeändert [6]. Es hat klargestellt, dass der Unterlassungsanspruch der Klägerin nur dahin geht, dass der Beklagte seine Sperrposition als derzeitiger Inhaber der umstrittenen Domain-Adresse ’krupp.de’ aufgibt. Diese Domain-Adresse im Gegenzug für sich zu erhalten, sei dann allein Sache der Klägerin, urteilte das Gericht. Wenn es um eine .de-Domain geht, sollte man daher in der Regel zuerst einen so genannten Dispute-Eintrag bei der DeNIC beantragen [7]. Der Dispute-Eintrag, der gegenüber Dritten eine Streitigkeit über den Domain-Namen signalisiert, ersetzt den früheren WAIT-Eintrag. Dieser wiederum stammt aus der Zeit, als die DeNIC noch Reservierungen für Domain-Namen entgegennahm. Wegen der Domain-Grabbing-Problematik hat sie das Reservieren von Domain-Namen vor einiger Zeit eingestellt.

Unterlassungen

Wer eine Kennzeichenrechtsverletzung eines Dritten vermutet, kann ihn mittels Abmahnung dazu auffordern, die Rechtsverletzung künftig zu unterlassen. Diese Abmahnung versieht er oft mit einer strafbewehrten Unterlassungserklärung. Strafbewehrung heißt, dass sich der Störer für jeden künftigen Verstoß verpflichtet, eine Vertragsstrafe zu zahlen. Üblicherweise wird die Höhe der Vertragsstrafe auf mindestens 10 000 Mark festgesetzt, damit man im Falle eines Verstoßes und eines hiergegen gerichteten Prozesses gleich vor einem Landgericht klagen kann. Umgekehrt sollte man sich gegen eine berechtigte Abmahnung nicht wehren. Man kann sich allenfalls überlegen, ob die Höhe der Gebührenforderung gerechtfertigt ist, wenn die Abmahnung durch einen Rechtsanwalt erfolgte. Ist die Abmahnung offensichtlich unberechtigt, kann man eine ebenfalls strafbewehrte Gegenabmahnung formulieren und darin den Absender auffordern, es künftig zu unterlassen, unberechtigterweise eine Unterlassung zu fordern. Wer die besseren Rechte an einer Bezeichnung hat, die als Domain-Name in Frage kommt, ist nur im Einzelfall zu beurteilen. Im Zweifel genießen eingetragene Bezeichnungen wie Firmennamen und Marken einen besonderen Schutz. Aber auch ohne dass eine Eintragung vorliegt, können aufgrund der Verkehrsgeltung oder der notorischen Bekanntheit einer Bezeichnung Schutzrechte bestehen. Grundsätzlich ist der kennzeichenrechtlich Berechtigte, der die Herausgabe eines Domain-Namens an sich begehrt, nur zum Ersatz der bislang aufgewendeten Kosten der Registrierung und Unterhaltung des Domain-Namens verpflichtet. Das ist in der Regel nur ein geringfügiger Betrag. Die Anbieter von Domain-Namen, die teilweise bis zu hunderttausend Domain-Namen registrieren, spekulieren auf die Schmerzgrenze des potenziellen Käufers. Diese wird natürlich umso niedriger liegen, je deutlicher die Rechtsposition und je einfacher die rechtliche Durchsetzung dieser Rechtsposition ist. Wer aus fernen Landen, mit denen keine Abkommen über die Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen bestehen, an namhafte Firmen herantritt und ihnen beispielsweise die .com-Version ihres Firmennamens anbietet, riskiert also weniger, in Grund und Boden prozessiert zu werden, als derjenige, der sich der selben Jurisdiktion unterwerfen muss.

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