04
1999

Neuer Richtlinienentwurf – Erlaubt EU bald Spam-Mails?

Ihr Briefkasten quillt vor Werbe- und Postwurfsendungen bereits über? Bald kann Ihrem virtuellen Postbehälter das gleiche Schicksal drohen.

Die Europäische Union hat eine Richtlinie entworfen, die das Versenden von Werbe-E-Mails regeln soll. Dabei werden die sogenannten Spam-Mails ausdrücklich erlaubt. Artikel 6 stellt einen Pflichtenkatalog auf und bestimmt: Die Mitgliedstaaten sehen in ihren Rechtsvorschriften vor, da kommerzielle Kommunikationen folgende Voraussetzungen erfüllen:

  1. Kommerzielle Kommunikationen müssen klar als solche zu erkennen sein;
  2. Die natürliche oder juristische Person, in deren Auftrag kommerzielle Kommunikationen erfolgen, muß klar identifizierbar sein;
  3. Soweit Angebote zur Verkaufsförderung wie Preisnachlässe, Zugaben und Geschenke erlaubt sind, müssen sie klar als solche erkennbar sein, und die Bedingungen für ihre Inanspruchnahme müssen leicht zugänglich sowie zutreffend und unzweideutig angegeben werden;
  4. Soweit Preisausschreiben oder Gewinnspiele erlaubt sind, müssen sie klar als solche erkennbar sein, und die Teilnahmebedingungen müssen leicht zugänglich sowie zutreffend und unzweideutig angegeben werden;

Bitte keine Werbung

Dies bedeutet, da jeder Werbetreibende mindestens einmal eine ungewünschte Werbebotschaft an jede Zielperson senden darf. Erst wenn die Zielperson zurückmailt, sie wolle solche Werbesendungen künftig nicht mehr erhalten, wird dem Treiben ein Ende gesetzt. Das Opfer ist also doppelt belastet: Zum einen erhält es die unverlangte Mail und muß dafür die anteiligen Übermittlungskosten tragen, zum anderen muß es sich der Mühe unterziehen, den Abwehrtext zu formulieren und abzusenden. Dafür trägt es ebenfalls die Kommunikationskosten. Und wenn es sich dann nicht um vereinzelte Werbebotschaften handelt, sondern um den befürchteten Ansturm, dann lernt man auch als Privatnutzer die Serienbrieffunktion kennen. Die Telekom freut sich, und der Datendurchsatz im Netz wird aufgrund sprunghaft ansteigender Mail-Päckchen noch desolater als er ohnehin schon ist.

Verschlechterung

Die derzeit geltenden wettbewerbsrechtlichen Regelungen in Deutschland sehen vor, da weder über Telefax noch über Telefon und auch nicht per E-Mail Werbebotschaften unverlangt an potentielle Kunden gesendet werden dürfen. Der Entwurf der E-Commerce-Richtlinie der EU sieht aber keine Sonderregelung für E-Mails vor. Vielmehr geht sie von „Kommerzielle(n) Kommunikationen“ aus. Das sind „alle Formen der Kommunikation, die der unmittelbaren oder mittelbaren Förderung des Absatzes von Waren und Dienstleistungen oder des Erscheinungsbilds eines Unternehmens, einer sonstigen Organisation oder einer natürlichen Person dienen, die eine Tätigkeit in Handel, Gewerbe oder Handwerk oder einen freien Beruf ausübt.“

Kritik von allen Seiten

Dabei stellt sich natürlich die Frage, ob sich E-Commerce für den Binnenmarkt überhaupt regeln läßt. So verwundert es nicht, wenn die USA sogleich ihre Vorstellungen von den selbstregulierenden Kräften im Sinne einer freiwilligen Selbstkontrolle der Unternehmen in Brüssel deutlich machen. Auf diese Weise ist der Entwurf gleichsam im Schraubstock, wobei der Druck auf der einen Seite von den USA kommt, die in dem Entwurf eine verhasste staatliche Bevormundung sehen, und auf der anderen Seite durch die Empörung der europäischen Länder, die seit Jahrzehnten ein gehöriges Maß an Verbraucherschutz etabliert haben. Vor diesem Hintergrund hat die Kommission für den Umsetzungstermin kein Datum genannt. In der Zwischenzeit sind Vorschläge gefragt, wie die widerstreitenden Interessen vielleicht mittels technischer Lösungen ausgeglichen werden können.

Konstantin Malakas/gun E-Mail: ramalakas@t-online.de

MEHRHEIT GEGEN E-MAIL-WERBUNG

Bei einer Umfrage von Akademie.de sprachen sich 81 Prozent gegen die unaufgeforderte Zusendung von Werbe-E-Mails aus, auch wenn der Inhalt deutlich als Werbung deklariert ist. 17,3 Prozent waren dafür, und 1,6 Prozent war es egal. Etwa 3000 Surfer beteiligten sich an der Internet-Umfrage. http://www.akademie.de/tipstricks Bitte keine Werbung

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