24
2000

Report Provider-Haftung

Hausrecht im Internet
Webspace-Provider in der Pflicht

Wer im Internet Serverplatz bereitstellt, steht unter bestimmten Voraussetzungen für die dort veröffentlichten Inhalte gerade. Webhoster müssen oft kurzfristig entscheiden, ob sie inkriminierte Texte oder Bilder online lassen. Sind die Inhalte nicht direkt strafwidrig, aber dennoch moralisch oder politisch anstößig, stehen die Webspace-Provider vor einem Dilemma.

Der Webhoster 1&1-Puretec staunte nicht schlecht, als er erfuhr, dass NPD-Parolen zum Abruf auf seinen Servern bereitstellen. Ordnungsgemäß hatte die rechte Partei ihre Internetpräsenz über Puretec bei der deutschen Internetregistratur DeNIC eG angemeldet und die Site npd-aktuell.de mit Propagandasprüchen gefüllt. Die Geschäftsleitung von Puretec war unschlüssig, was zu tun sei. Die NPD ist, solange kein Verbot durchgesetzt ist, eine legale Partei. Strafrechtlich relevante Inhalte, wie rechtsradikale Symbole oder volksverhetzende Texte, waren auf der Site nicht zu finden. Puretec sah nur einen Ausweg: Das Unternehmen kündigte den Hostingvertrag fristgerecht. Firmensprecher Michael Frenzel wies darauf hin, dass Puretec die Entscheidung nicht leicht gefallen sei, doch hätte es dem Bild von Puretec in der Öffentlichkeit geschadet, wenn die NPD-Site weiterhin auf den Karlsruher Servern der Firma vorgehalten worden wäre.

Haftungsfragen

Das Beispiel zeigt, dass derzeit große Verunsicherung unter den Internet-Service-Providern (ISP) herrscht. Dabei scheint alles so einfach zu sein: Was im realen Leben erlaubt ist, ist auch im Netz nicht verboten. Und selbstverständlich darf niemand beleidigt, dürfen Nazi-Symbole nicht verwendet oder pornografische „Schriften“ nicht Jugendlichen zugänglich gemacht werden. Wenn die verantwortlichen Inhalteanbieter gegen diese Regeln verstoßen sollten, können sie deshalb sowohl zivilrechtlich als auch strafrechtlich belangt werden. So ist das Verwenden von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen, also zum Beispiel Hakenkreuze und SS-Runen, gemäß § 86a Strafgesetzbuch (StGB) strafbar. Auch vorsätzlich beleidigende Inhalte sind verboten (§ 185 StGB). Darüber hinaus haften Inhalteanbieter dem Dritten für den aus der Beleidigung entstehenden Schaden (§ 823 II BGB in Verbindung mit § 185 StGB). Als Haftung bezeichnet man die zivilrechtliche Verantwortlichkeit. Fr solche schuldhaften Verstöße gegen das geltende Recht sind die Inhalteanbieter in vollem Umfang verantwortlich. So wie Puretec finden sich viele ISP oft zwischen den Stühlen wieder. Auf der einen Seite stehen ihre Kunden, die mit einem Internetangebot gerne Nutzer auf sich aufmerksam machen oder informieren wollen. Auf der anderen Seite steht der Staat mit seiner Strafrechtsordnung oder Dritte, die durch diese Angebote möglicherweise in ihren Rechten verletzt werden. ISP können mitverantwortlich sein, wenn ihre Kunden haftungs- oder strafrechtlich relevante Handlungen begehen. Der Oberbegriff „ISP“ bezeichnet Service Provider, Host-Service-Provider, Webspace-Provider, Webhoster oder auch Housing-Provider. Nach der verantwortlichkeitsbeschränkenden Regelung der §§ 5 II Teledienstegesetz/Mediendienstestaatsvertrag (TDG/MDStV) [1,2] hängt ihre Verantwortlichkeit wesentlich von ihrer Kenntnis von den fremden Inhalten ab. Solange die ISP also keine Kenntnis haben, können sie in keinster Weise belangt werden. Damit ist es jedoch häufig sehr schnell vorbei. Bei Wettbewerbs- oder markenrechtlichen Streitigkeiten wendet sich der verletzte Dritte meist sofort an den ISP, um eine Sperrung der störenden Inhalte zu erwirken. Das ist legitim, da der ISP in den meisten Fällen die technischen Möglichkeiten hat, den Zugriff auf die von ihm gehosteten Inhalte zu unterbinden.

Sperrgebiete

In der Wahl der Mittel sind die Verletzten oder ihre Anwälte oft nicht zimperlich. So wird dem ISP auch schon mal ohne Vorwarnung eine Abmahnung mit anliegender strafbewehrter Unterlassungserklärung nebst Kostennote des Abmahnanwalts zugesendet. Dabei bekommt der ISP meist erst mit dieser Abmahnung Kenntnis von den störenden Umständen. Von seinem Kunden wird er nämlich nicht informiert, da dieser zu Recht fürchtet, sein Angebot werde daraufhin gesperrt werden. Sperrt der ISP auf Grund einer Abmahnung ein in Wirklichkeit legales Angebot, kann ihn der Kunde zur Leistung von Schadenersatz verpflichten. Sperrt der ISP nicht, obwohl dies angezeigt wäre, ist er dem Dritten zum Schadenersatz verpflichtet. In dieser für sie fast ausweglosen Situation wenden sich die ISP ihrerseits an Anwälte, um sich beraten zu lassen, welche Seite die besseren Argumente hat. In der überwiegenden Zahl der Fälle müssen sie selbst die Kosten dieser Konsultation tragen. Die strafbewehrte Unterlassungserklärung müssen die ISP nicht immer abgeben und die Gebührenerstattung für den gegnerischen Abmahnanwalt können sie sich auch oft sparen. Beim Abmahnanwalt entsteht die Gebühr gemäß § 118 I Nr. 1 Bundesrechtsanwaltsgebührenordnung (BRAGO) mit Beginn seiner Tätigkeit also wenn er das Abmahnschreiben verfasst. Zu diesem Zeitpunkt hat der ISP über noch keine Kenntnis, haftet also gemäß § 5 II TDG/MDStV nicht. Eine Haftung nach den Grundsätzen der Geschäftsführung ohne Auftrag scheidet ebenfalls aus, da es nicht im objektiven Interesse des ISP liegt, Kenntnis von den rechtswidrigen Inhalten zu erlangen, weil er ja sonst haften würde [3]. Im Falle von Puretec und vielen anderen Vorgängen stehen allerdings weniger rechtliche als imageschädigende Wirkungen im Vordergrund. So haben viele Webhoster Kunden, die über ihre Webseiten Inhalte verbreiten, die zwar nicht gegen geltendes Recht verstoßen, aber auch nicht gerade dem Meinungs-Mainstream folgen. Dies nahmen im Falle eines Providers Politiker und Privatleute zum Anlass, in flammenden Briefen und teilweise anonymen Mails mit Mailbombing, Server-Cracking und der Veröffentlichung auf denunziatorischen Webseiten für den Fall zu drohen, dass die unerwünschten Seiten nicht umgehend gesperrt würden. Alle diese „Aufforderungen“ erfüllen mindestens den Tatbestand der Nötigung (§ 240 StGB), wenn nicht gar den der Erpressung (§ 253 StGB). Aus Imagegründen sehen die ISP meist von einer Strafanzeige gegenüber solchen Personen ab. Wegen des herrschenden öffentlichen Drucks sehen sich die Webspace-Provider oft sogar gezwungen, den Forderungen dieser Personen nachzukommen und, in teilweise rechtswidriger Weise, bestehende langfristige Verträge mit ihren Kunden zu kündigen. Dies macht die ISP wiederum gegenüber diesen Kunden schadenersatzpflichtig.

Demokratie in Gefahr?

Betroffen von derlei Aktionen sind meist Websites mit Inhalten, die politische Meinungsäußerungen des extremen Lagers enthalten. Gerade während der Debatte um rechtsextreme Propaganda im Web standen die Webhoster im Kreuzfeuer der öffentlichen Kritik. übersehen wird dabei meist, dass man es durchaus als Zensur betrachten kann, wenn ISP Inhalte selbst einschätzen und je nach eigener Bewertung vom Netz nehmen. Es zeigt sich, dass den ISP wegen ihrer technisch bedingten Nähe zu den Inhalten ihrer Kunden eine wichtige, auch politisch meinungsbildende Funktion zukommen kann, die sich durchaus mit der von Presseorganen vergleichen lässt. Es wäre daher in jedem Falle problematisch, wenn die ISP ihre Aufgabe nicht ernst nähmen und je nach aktueller Stimmungslage den jeweils politisch, religiös oder sonst weltanschaulich anders Denkenden nicht zu Wort kommen ließen. Die bestehende Rechtsordnung deckt ein solches Verhalten jedenfalls nicht. Ein ISP sollte das Internetangebot eines Kunden sperren, wenn bereits ein deutsches Gericht zu dem Ergebnis gelangt ist, dass eine Verbreitung der beanstandeten Inhalte Bedenken begegnet. Dies kann auch im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes geschehen sein. Wenn also ein Beschluss oder ein Urteil eines deutschen Gerichts vorgelegt wird, das dem Kunden untersagt, ein bestimmtes Angebot zu verbreiten, muss der ISP das Angebot sperren. Handelt es sich um ein ausländisches Gericht, ist zu prüfen, ob mit Deutschland ein Vollstreckungsübereinkommen besteht. Wenn keine gerichtliche Verfügung vorgelegt wird, sondern eine Behörde, die Staatsanwaltschaft, oder ihre Hilfsbeamten wie etwa die Polizei, eine Sperrung verlangen, sollte bereits Vorsicht obwalten. Denn nicht immer handeln staatliche Organe auch rechtmäßig. Noch misstrauischer sollte der ISP sein, wenn lediglich ein Anwalt oder auch ein nicht vertretener Dritter die Sperrung eines Angebots eines Kunden begehren. Im Verhältnis unter Privaten kann es in manchen Fällen geboten sein, innerhalb weniger Stunden zu entscheiden, ob ein Angebot gesperrt werden muss. Definitiv sperren muss ein ISP kinderpornografische Inhalte, sobald er davon Kenntnis hat, ansonsten haftet er in vollem Umfang für deren Verbreitung. Hatte der Kunde also solches Material auf den Servern des ISP bereitgestellt, sollte nicht nur der entsprechende Speicherplatz gesäubert werden, sondern gegebenenfalls auch Cacheverzeichnisse, entsprechende Stellen auf Sicherungsbändern und die Auslagerungsdateien, die manche Betriebssysteme anlegen. Wer als ISP seinen Kunden erlaubt, pornografisches Material zu verbreiten, macht sich nach Kenntnisnahme dieser Inhalte strafbar, wenn nicht gewährleistet ist, dass das Material Jugendlichen nicht zugänglich ist. (hob)

Literatur [l] http://www.iid.de/rahmen/iukdgbt.html [2]http://www.iid.de/iukdg/gesetz/mdstv.html [3] vgl. Freytag, Haftung im Netz, München, Beck, 1999, S. 206 f.

Verantwortlichkeiten

Das „Multimediagesetz“, wie das Informations- und Kommunikationsdienstegesetz (luKDG) umgangssprachlich genannt wird, enthält mit dem Teledienstegesetz (TDG) eine zentrale Verantwortlichkeitsregelung für die verschiedenen Beteiligten im Internetverkehr. Zeitlich fast parallel wurde 1997 der Mediendienstestaatsvertrag (MDStV) zwischen den Bundesländern geschlossen. Beide Regelungen wollen letztlich das Gleiche und existieren nebeneinander. Gemeinsam ist ihnen, dass sie sich mit den über die Netze transportierten Inhalten beschäftigen. Der Kern der beiden Bestimmungen, die Verantwortlichkeitsregelungen, sind außerdem fast wortgleich umgesetzt. So sind Anbieter für eigene Inhalte, die sie zur Nutzung bereit halten, nach den allgemeinen Gesetzen verantwortlich (§ 51 TDG/MDStV). Sie werden als Inhalteanbieter oder Content-Provider bezeichnet. Anbieter, die fremde Inhalte zur Nutzung bereithalten, sind nur dann verantwortlich, wenn sie von diesen Inhalten Kenntnis haben und es ihnen technisch möglich und zumutbar ist, deren Nutzung zu verhindern (§§ 5 U TDG/MDStV). Diese Regelung betrifft die ISP. Anbieter, die lediglich den Zugang zu Nutzung fremder Inhalte vermitteln, sind nicht für diese Inhalte verantwortlich (§§ 5 III 1 TDG/MDStV). Sie werden als Access-Provider oder Network-Provider bezeichnet. Nachdem der Content-Provider immer verantwortlich ist, macht es nach den Regelungen einen wesentlichen Unterschied, ob ein Provider als Access-Provider oder als ISP tätig wird. Der Access-Provider vermittelt den Zugang zur Nutzung in einem lediglich technischen Sinne. Er leitet die fremden Inhalte lediglich zum abrufenden Nutzer durch, ohne auf sie Einfluss nehmen zu können. Online-Dienste wie T-Online, AOL und CompuServe sind, soweit sie nur für den Netzzugang ihrer Kunden sorgen, als Access-Provider zu behandeln. Sie haften daher nicht für die Inhalte, die dadurch von den Nutzem abgerufen werden können, dass sie sich dieser Online-Dienste bedienen, um überhaupt online gehen zu können. Somit stehen die Content-Provider am einen und die Access-Provider am anderen Ende der Verantwortlichkeitsskala. Soweit die Online-Dienste eigene Inhalte zur Verfügung stellen, haften sie wie Content-Provider. Wenn die Online-Dienste auch Webspace für ihre Kunden anbieten, wie zum Beispiel 1 oder 5 Megabyte freien Speicherplatz für die eigene Homepage des Kunden, dann haften sie für die Inhalte, die dort abgelegt werden, wie die ISP, also ab Kenntnis in vollem Umfang.

Teledienstegesetz § 5 (Verantwortlichkeit)

(1) Diensteanbieter sind für eigene Inhalte, die sie zur Nutzung bereithalten, nach den allgemeinen Gesetzen verantwortlich.
(2) Diensteanbieter sind für fremde Inhalte, die sie zur Nutzung bereithalten, nur dann verantwortlich, wenn sie von diesen Inhalten Kenntnis haben und es ihnen technisch möglich und zumutbar ist, deren Nutzung zu verhindern.
(3) Diensteanbieter sind für fremde Inhalte, zu denen sie lediglich den Zugang zur Nutzung vermitteln, nicht verantwortlich. Eine automatische und kurzzeitige Vorhaltung fremder Inhalte auf Grund Nutzerabfrage gilt als Zugangsvermittlung.
(4) Verpflichtungen zur Sperrung der Nutzung rechtswidriger Inhalte nach den allgemeinen Gesetzen bleiben unberührt, wenn der Diensteanbieter unter Wahrung des Fernmeldegeheimnisses gemäß § 85 des Telekommunikationsgesetzes von diesen Inhalten Kenntnis erlangt und eine Sperrung technisch möglich und zumutbar ist.

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