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1998

Urteils-Wirrwarr Recht bei Domänennamen

Kaum zu glauben: Schlappe fünfzig Entscheidungen zu Domains haben deutsche Gerichte zwischen Frühjahr 1996 und Herbst 1998 getroffen. Dabei eine einheitliche Linie zu erkennen ist schwierig – teilweise widersprechen sich die Urteile sogar.

Allen Entscheidungen gemeinsam ist der Ausgangspunkt. Der Inhaber eines Namens, einer Marke oder einer geschäftlichen Bezeichnung geht gegen eine Domain vor, deren Bestandteil ein eigentlich geschütztes Kennzeichen ist. Um genau zu sein – es geht in der Regel immer um die Second Level Domain, Sie wissen schon: www.IhrName.de. Wenn diese Second Level Domain mit einer anderen geschützten Bezeichnung übereinstimmt, kann der Berechtigte gesetzlich (BGB, Markengesetz) dagegen vorgehen.

Trotz der widersprüchlichen Entscheidungen läßt sich sagen, daß in den meisten Fällen gute Aussichten bestehen, mit einer einstweiligen Verfügung oder einer Klage gegen eine urheberrechtliche Nutzung Gehör zu finden. Je mehr Gründe dafür sprechen, da der Domain-Nutzer die Anmeldung offensichtlich nur aus dem Grund vorgenommen hat, um die Domain später dem Berechtigten zu verkaufen“, desto größer sind die Chancen.

Krupp gegen Krupp

Diese Fälle des „Domain-Grabbing“ bereiten in der Praxis heute kaum mehr Schwierigkeiten. Problematischer ist es, wenn zwei am Wirtschaftsleben teilnehmende Personen tatsächlich den gleichen Namen haben. Hier muß zwischen den Beteiligten ein Interessenausgleich vorgenommen werden. Dabei ist es unerheblich, wer zuerst beim nationalen NIC oder beim InterNIC die Eintragung beantragt hat. Im Zweifel zählt das ältere Recht am Kennzeichen, so daß es dem jüngeren Rechteinhaber eher zuzumuten sein kann, Fehlzurechnungen durch unterscheidende Namenszusätze zu vermeiden. Der Teufel steckt allerdings mal wieder im Detail. Nach einem Urteil des Landgerichts Bochum vom April letzten Jahres war Wolfgang Erich Krupp verpflichtet worden, der Übertragung der Domain „krupp.de“ an die Berechtigte Friedrich Krupp AG Hoesch- Krupp mit Sitz in Essen zuzustimmen. In der Berufungsinstanz vor dem Oberlandesgericht Hamm wurde das Urteil im Januar diesen Jahres insoweit abgeändert, als es dem Beklagten W. E. Krupp nunmehr nur noch untersagt wird, die Domain zu nutzen. Eine Übertragung des Domainnamen kann nämlich nur im Wege des Schadenersatzes geltend gemacht werden, was ein Verschulden des Beklagten voraussetzt. Dieses ist bei einem redlich Handelnden jedoch nicht gegeben. Was jemand mit einer Domain anfangen soll, die er nicht benutzen darf, ist uns allerdings schleierhaft. Das Schlimme ist, da diese höchstrichterliche Entscheidung eine ganze Reihe früherer Urteile, in denen die Herausgabe oder Freigabe der Domain verfügt wurde, in Frage stellt. Ganz abgesehen von dem Problem der Vereinbarkeit mit den Grundrechten könnte sich hier wiederholen was längst ausgemerzt schien. Jeder mit einem Namen, der einem nationalen oder internationalen Unternehmen gleicht, könnte den Domainnamen registrieren und sich die Freigabe vergolden lassen. Gerichtlich verordnetes „Domain-Grabbing“ bei Gleichnamigkeit? Es sieht fast so aus. Denn den Krupps – inzwischen wurde auch gegen den Sohn von Wolfgang Erich vorgegangen – ging finanziell die Puste aus. Zu einem Revisionsverfahren kam es daher nicht.

Lockadressen

Die Domainverfahren haben aber auch andere Facetten. Immer wieder  maßen sich Zeitgenossen an, Web-User unter dem Deckmantel einer neutralen, allgemeinen Domain auf ihre private Page zu locken. Dazu ergingen im September 1998 zwei Entscheidungen des Landgerichts Köln in Verfahren des einstweiligen  Rechtsschutzes (amtsgerichte.de, rechtsanwaelte-koeln.de). Im ersten Fall hat das Gericht die Benutzung der genannten Domain untersagt, weil die Erwartung des Publikums, dort alle deutschen Amtsgerichte zu finden, enttäuscht werde. Im zweiten Fall wurde die Nutzung verboten, weil man unter der Domain nicht nur eine einzige, sondern alle Kölner Kanzleien oder gar die Rechtsanwaltskammer Köln erwarte. Die Urteile dürften ganz im Sinne der Web-User sein. Denn ohne diese Entscheidungen würde das deutsche Internet immer mehr von solchen Lockadressen dominiert.

Konstantin Malakas, Rechtsanwalt in Berlin mit den Interessenschwerpunkten EDV-, Telekommunikations- und Medienrecht/km

Urteilssammlung zu Domain-Streitigkeiten

Eine Übersicht einiger Urteile zu Domain-Streitigkeiten findet sich bei http://www.inet.de/dienst/0201.html. Neben einer Urteilssammlung zu gerichtlichen Auseinandersetzungen um de.-Domainnamen gibt es hier auch Infos zum Namensrecht, Denic-Richtlinien zur Beantragung von Domainnamen sowie eine Liste häufig gestellter Fragen.

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