03
2001

Vorsprung durch Information Internet nicht nur für Anwälte

Mit einem Bein im Knast und mit dem anderen auf dem Flur des Sozialamts. So etwa könnte man die berufliche Situation der Anwaltschaft schildern, wenn man die Rechtsprechung zur Anwaltshaftung Revue passieren lässt. Mit der Entwicklung der Informationstechnologie geht auch eine Veränderung der Arbeitsbedingungen der Anwaltschaft einher. Bereits Mitte 1995 erregte die Entscheidung des Seventh U.S. Court of Appeals in der Sache Whirlpool Financial Corporation vs. GN Holdings, Inc. auch in Deutschland Aufsehen, da die Klägerin letztlich deshalb ca. 10 Millionen Dollar verlor, weil ihr entgegengehalten wurde, dass sie Informationen, die im Internet abrufbar waren, hätte kennen müssen (vgl. NJW-CoR 1995, 422). Das Gericht formulierte diese Auffassung mit den Worten: „In today’s society, with the advent of the Information superhighway, federal and state legislation and regulations, as well as information regarding industry trends, are easily accessed. A reasonable investor is presumed to have information available in the public domain, and therefore Whirlpool is imputed with constructive knowledge of this information.“ Natürlich ist diese Entscheidung nicht direkt auf die deutsche Anwaltschaft übertragbar. Man wird sich jedoch fragen müssen, ob es nur eine Frage der Zeit ist, bis in Deutschland die höchstrichterliche Rechtsprechung die unterlassene Benutzung der „Datenautobahn“ als Verletzung der Sorgfaltspflichten aus dem Beratungs- oder Geschäftsbesorgungsvertrag zwischen Anwalt und Mandant qualifiziert. Wegen des wachsenden juristisch relevanten Informationsangebots im Web dürfte allerdings die Schonzeit für Anwälte ohne Internetanschluss bald ablaufen.

Guter Rat – kostenlos …

Deswegen sei ansatzweise beleuchtet, welche Informationsmöglichkeiten sich den Juristen insbesondere der Anwaltschaft bereits heute über das Internet bieten. Im Wesentlichen ist heute das World Wide Web (WWW), einer der Dienste des Internet, die wichtigste und ergiebigste Quelle für Informationen aller Art. Eine Institution oder ein Unternehmen ist heute ohne eigene „Internetadresse“ kaum noch denkbar. So haben sehr viele Universitäten Internetseiten, die auch juristische Informationen bereithalten. Beispielhaft seien hier nur die Universitäten Münster und Saarbrücken genannt. Unter der Adresse (www.jura.uni-muenster.de/netlaw) findet sich eine umfangreiche Link-Liste zu zahlreichen Materialquellen aus allen Rechtsgebieten, während sich hinter dem Angebot unter der Adresse www.jura.uni-sb.de/ jurpc.html das Online-Angebot der Zeitschrift JurPC mit Gerichtsentscheidungen im Volltext, Aufsätzen etc. verbirgt. Mit dem Dateibetrachter CPC-Viewer, der Daten stärker komprimiert als der Acrobat Reader der Firma Adobe, können hier faksimilierte Seiten der Zeitschrift bequem und recht flott betrachtet werden.

… und teuer

Neben diesen und vielen weiteren kostenlosen Angeboten haben Verlage mit vornehmlich juristischer und wirtschaftswissenschaftlicher Ausrichtung umfangreiche Linksammlungen zusammengestellt, die sie oft entgeltlich zur Verfügung stellen. Ein solches Angebot ist beispielsweise unter www.fahnder.de zu finden. Manche Verlage bieten den Abonnenten ihrer Zeitschriften Premiumdienste an, wie z.B. der Verlag C.H. Beck mit beck-ONLINE. Die Preise, die die Marketingexperten für Angebote dieser Art durchsetzen wollen, sind jedoch häufig eher abschreckend. Man tut oft besser daran, seine Suchstrategie zu ändern und ein wenig mehr Zeit zu investieren, um kostengünstiger an die gewünschten Informationen zu kommen.

Pioniergeist Das Internet umgibt sich trotz aller Kommerzialität noch in Teilübereichen mit dem aus den Anfängen herrührenden Nimbus der Uneigennützigkeit. Dass so etwas auch noch unter der Anwaltschaft möglich ist, zeigt beispielsweise die Mailingliste der Hanseatischen Rechtsanwaltskammer zu Hamburg unter www.rechtsanwaltskammerhamburg.de. Um die Anmeldeprozedur zu finden, muss man auf der Indexseite dem Link unter „Angebot“ folgen. Diese weit über die geographischen Grenzen Hamburgs bekannte Mailingliste ist ein wahrer Hort der Hilfsbereitschaft. Richten sie eine Anfrage an die derzeit mehr als 400 Nutzer dieser Liste, können sie fast gewiss sein, innerhalb kürzester Zeit eine Antwort von einer hilfsbereiten Kollegin oder einem Kollegen zu erhalten, dem ihre Rechtsfrage bereits einmal über den Weg gelaufen ist. Natürlich sollten Sie die Anfragen ihrer Kollegen ihrerseits beantworten, falls Ihnen etwas Erhellendes dazu einfällt. Dieser Prototyp des Altruismus basiert nämlich auf dem Prinzip gegenseitiger Hilfe. Zwar gibt es neben der beschriebenen Liste „Anwalt“ weitere Mailinglisten mit juristisch versierten Nutzern, wie z.B. „Netlaw“ oder „Online-Recht“, aber man wird gleichwohl die Liste „Anwalt“ als einzigartig bezeichnen dürfen (Dank an Herrn Kollegen Sagawe).

Wer sucht…

Die Uneigennützigkeit endet aber meist dort, wo Kolleginnen und Kollegen ihre eigenen Weh-Seiten ins Netz gestellt haben. Dies ist auch sehr verständlich und nachvollziehbar. Eine Weh-Seite aktuell zu halten, bedeutet nämlich irrsinnig viel Arbeit und damit auch Kosten. Viele Einzelkämpferkanzleien sind da schlicht überfordert. Einige Kanzleien haben jedoch sehr informative Angebote auf ihren Seiten. Der Hauptzweck dürfte natürlich die Mandantenwerbung sein, aber die jeweilige Information kann selbstverständlich auch für den Mitbewerber interessant sein. Mittlerweile gibt es bereits so viele Kanzleien im Internet, dass es aussichtslos wäre, sie im Rahmen dieses Beitrags zu nennen. Statt dessen sollte man über allgemeine Suchmaschinen wie www.google.de, www.infoseek.de, www.lycos.de, web.de, de.altavista.com, www.metacrawler.de oder www.fireball.de nach einschlägigen Stichwörtern suchen. Es macht durchaus Sinn, verschiedene Suchmaschinen zu verwenden, da sie zum Teil nach unterschiedlichen Prinzipien arbeiten und deswegen unterschiedliche Trefferlisten generieren.

Vorsicht! Falle

Einen guten Einstieg in die unüberschaubare Flut juristischer Informationsangebote bieten auch Portalseiten wie die unter der Adresse www.recht-in.de. Von hier aus gelangt der Paragraphen-Surfer u.a. an eine immense Gesetzessammlung im Volltext. Die Gesetzmäßigkeiten des Mediums müssen jedoch berücksichtigt werden, damit die gerade gewonnenen Erkenntnisse nicht doch geradewegs in die Haftungsfalle führen. So stellt die Halbwertszeit der Information im Netz regelrecht die des Plutoniums in den Schatten. Jede noch so veraltete Information wird oft nicht etwa getilgt, sondern bis zum jüngsten Tag aufrecht erhalten. Ähnlich wie im Fernsehen, wo ständig Sendeplatz gefüllt werden muss, weil immer neue Anbieter ihre 24-Stunden Sendezeit täglich abdecken müssen und deswegen immer schneller Talkshows, Spielshows und Daily-Soaps produziert werden, muss auch im Internet „Content“ geboten werden. Da es relativ leicht ist, Web-Seiten zu gestalten, aber relativ schwer, sie mit (sinnvollem) Inhalt zu versehen, bleiben einmal generierte Inhalte oft dort, wo sie einmal abgelegt worden sind. Es ist daher z.B. bei der Suche nach Gesetzestexten eminent wichtig zu wissen, welche Gesetzesänderungen aktuell sind, um die richtigen Fassungen aus dem Netz zu ziehen.

Ich weiß was

Die leicht zugänglichen Informationen für Juristen können sieh nun auch die Ratsuchenden selbst erarbeiten. Während der Mandant früher juristisch relativ unbedarft in die Kanzlei kam, hat er heute oftmals eine Recherche auf eigene Faust zu seinem Rechtsproblem im Internet absolviert. Wegen der Vielzahl juristischer Informationsangebote kommt er dann häufig gut präpariert zum Beratungstermin. Auch aus diesem Grund ist der Anwalt gut beraten, die gleichen Quellen wie seine Mandanten zu kennen, wenngleich er nicht gleich befürchten muss, dem „Dritten Staatsexamen“ unterworfen zu werden. Nicht zuletzt erlaubt diese „Vorbildung“ der Mandantschaft auch eine Argumentation auf höherer fachlicher Ebene als dies sonst der Fall war. Wegen dieses Aufholens der Mandantschaft hinsichtlich des Informationsvorsprungs des Anwalts muss dieser nun selbst seine herkömmlichen Informationsbeschaffungswege überdenken, sie gleichsam dem gestiegenen Tempo anpassen. Die gebräuchliche Praxis, doch mal im Laufe der Woche den Herrn stud.jur. ins Seminar zu schicken, um die Rechtsprechung zu einer Fallgestaltung zu recherchieren, wird künftig wohl nur noch in Ausnahmefällen in der erforderlichen Kürze die gewünschten Ergebnisse bringen.

Der Autor ist Rechtsanwalt in Würzburg und Lehrbeauftragter für das IT-Recht Kontakt: ramalakas@weblawyer.de

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