07
1999

Was ist erlaubt? – Pornographie im Internet

Immer wieder fragen unsere Leser: Was ist bei der Darstellung von erotischen Bildern im Internet erlaubt, und wann ist die Grenze zur Pornographie überschritten? Eindeutige Antworten gibt es darauf nicht, aber einige Hinweise.

Böse Zungen behaupten, das World Wide Web konnte sich nur deswegen so fulminant entwickeln, weil es die Verbreitung von Schmuddelbildchen besonders userfreundlich per Thumbnails ermöglicht. Als die Dateien noch per E-Mail-Attachments versendet wurden, konnte man ja nicht gleich sehen, was sich beim öffnen der Datei entblätterte. Der Erotik-Boom wurde aber auch vom Preisrutsch der Scanner unterstützt, da es nun für jedermann erschwinglich ist, intimes Anschauungsmaterial einem Millionenpublikum zu offerieren. Thema dieses Artikels sollen aber nicht die abertausendfachen Verstöße gegen das Urheberrecht sein. Auch der moralische Zeigefinger bleibt heute unten. Vielmehr geht es um die nüchterne Betrachtung der deutschen Rechtsvorschriften zur Verbreitung von Pornographie.

Was ist Pornographie?

Schon bei der Frage, was Pornographie eigentlich ist, stoßen wir auf unerwartetes Schweigen. Die Gesetze geben nämlich keine Definition dieses Begriffes. Die Gerichte haben sich aber in einer schier unüberschaubaren Zahl an Urteilen bereits mit der Frage beschäftigt und kreierten die Formel: Pornographisches ist eine grobe Darstellung des Sexuellen, die in einer den Sexualtrieb aufstachelnden Weise den Menschen zum bloßen (auswechselbaren) Objekt geschlechtlicher Begierde degradiert. Mit anderen Worten: Wenn man es sieht, erkennt man es. Danach ist die Darstellung des nackten menschlichen Körpers alleine noch nicht pornographisch. Das hat auch der Bundesgerichtshof (BGH) festgestellt. Er ist es auch dann nicht, wenn der Körper mit seinen erogenen Teilen dargestellt ist, und möglicherweise ein sexueller Reiz von ihnen ausgehen kann. Das bedeutet, die Bilder in „Playboy“ und „Praline“ sind noch nicht unbedingt pornographisch. Erst wenn man Verkaufsstellen betritt, an deren Eingang das Schild „Kein Zutritt für Personen unter 18 Jahren“ prangt, kann man pornographisches Material erwarten. Im Internet gibt es diese Schilder aber nicht. Hier kann aber eine weitere Unterscheidung helfen, diejenige zwischen „einfacher“ und „harter“ Pornographie.

Einfache Pornographie

Die Verbreitung einfacher Pornographie ist im Prinzip nicht strafwidrig. Allerdings ist inzwischen allgemein medizinisch anerkannt, da auch diese einen schädlichen Einfluss auf Minderjährige ausüben kann. Daher müssen sie vor allzu deftiger Kost geschützt werden. Wo Schutzlose gefährdet sind, stehen wir aber alle in der Verantwortung. Und hier ist der gegenwärtige sorglose Umgang im Internet sehr bedenklich. Wer also pornographisches Material ins Netz bringt, muß im Rahmen seiner Möglichkeiten dafür Sorge tragen, da es nicht in falsche Hände gelangen kann. Das Mindeste ist, das Angebot nur über sogenannte „Erwachsenenverifizierungssysteme“ zugänglich zu machen. Einer der bekanntesten Dienste dieser Art ist Adult Check. Der User muß dort seine Kreditkartennummer angeben und erhält umgehend einen Zugangscode, der ihn zum Betrachten des Materials verschiedener Anbieter autorisiert. Er zahlt dafür einen bestimmten Betrag. Dabei gehen die Betreiber aber von der zweifelhaften Vorstellung aus, der Verwender der Kreditkarte sei ein Erwachsener.

Harte Pornographie

Richtig problematisch wird es dagegen bei der „harten“ Pornographie. Deren öffentliche Verbreitung ist per se untersagt – auch an Erwachsene. Der Kern der „harten“ Pornographie ist die Kinderpornographie. Sie unterliegt übrigens weltweit der deutschen Strafverfolgung. Selbst Phantasiebilder oder -texte und Zeichnungen sind eindeutig verboten. Und nicht nur die Verbreitung, sondern auch der Besitz dieses Materials ist unter Strafe gestellt. Rein rechtlich muß der Besitzer das Material aber mit Absicht erworben haben. Das heißt, da der Surfer nicht bestraft werden kann, wenn er „zufällig“ auf eine Seite mit entsprechendem Inhalt gelangt oder ihm eine Mail mit entsprechenden Bildern gesendet wird. In jedem Fall muß er jedoch unmittelbar danach das Material vernichten oder einer Strafverfolgungsbehörde übergeben. Letzteres kann aber zum „Eigentor“ werden, wenn er zu lange wartet, oder sich gar bewusst auf die Suche macht, „um den Übeltätern das Handwerk zu legen“. Wer nicht weiß, da das Bildmaterial beim Surfen im Cache des Browsers auf der eigenen Festplatte zwischengelagert wird, und er daher nicht vorsätzlich im „Besitz“ der Bilder ist, kann ebenfalls nicht bestraft werden. Allerdings kann man sich heute kaum noch auf diese Unwissenheit berufen. Und schließlich ist es auch schwierig nachzuweisen, da man nur „zufällig“ auf die Seiten gestoßen ist. So kann man sich schnell unversehens in den Mühlen der Justiz wiederfinden.

Gewalt- und Kinderpornographie

Weitere „harte Bereiche“ sind Gewalt- und Tierpornographie. Hier ist in Deutschland zwar der Besitz erlaubt, aber die Verbreitung verboten. In den Niederlanden ist dagegen auch die Verbreitung von Tierpornographie nicht strafbar. Unter Tierpornographie versteht man allgemein den sexuellen Verkehr mit Tieren. Dabei muß es nicht zu beischlafähnlichen Handlungen kommen. Als Gewaltpornographie bezeichnet man sexuelle Handlungen, bei denen Gewalt eine Rolle spielt. Das sind zum Beispiel Vergewaltigungen, Fesselspiele oder Züchtigungsrituale. Auch hier sind die Grenzen zwischen Erlaubtem und Verbotenem fließend. Beispielsweise gibt es japanische Photographen, bei denen Frauen Schlange stehen, um sich gefesselt und von Bäumen herabhängend ablichten zu lassen. Manche dieser Photographien haben einen hohen künstlerischen Anspruch. Überhaupt schließen sich Kunst und Pornographie nicht aus. Es ist daher nicht möglich, eine allgemeingültige Grenze zu ziehen. Hier muß man im Einzelfall entscheiden.

Die Verbreitung

Mit dem unter Strafe gestellten „Verbreiten“ von Gewalt- und Tierpornographie ist nicht das Versenden alleine gemeint. Das heißt: Wenn das Material nur an eine einzige Person gesendet wird, liegt noch keine Verbreitung vor. Sobald jedoch mehrere Adressaten das Material erhalten und der Empfängerkreis „unkontrollierbar“ wird, spricht die Gesetzgebung von „Verbreitung“ (§ 184 Strafgesetzbuch (StGB)). Zwar dachte man damals eher an Verleger und Buchhändler, doch Datenspeicher, Ton- und Bildträger, Abbildungen und andere Darstellungen sind den Schriften gleichgestellt (§ 11 III StGB). Deswegen werden auch Übermittlungen über das Internet als „Öffentliches Zugänglichmachen“ aufgefasst. Auch im Bereich der Gewalt- und Tierpornographie gilt übrigens, da es für die Strafbarkeit egal ist, ob es sich um Real- oder Fiktivpornographie handelt. Die japanischen Hentai-Bildchen sind also ebenfalls umfaßt. Und die „Erwachsenenverifikationssysteme“ spielen hier keine Rolle, da auch die Verbreitung unter Erwachsenen strafbar ist.

Wo sind die Grenzen?

Wenngleich vielleicht leise Zweifel an dieser Bevormundung „mündiger“ Bürger durch den Staat angebracht sind, ist im Rahmen der „harten“ Pornographie in der Tat Vorsicht vor all- zu großer Liberalität geboten. Es geht letztlich um den Schutz von Lebewesen, die eine verminderte Fähigkeit zur Selbstbestimmung haben. Bei Kindern und Tieren liegt das auf der Hand: Wo verständige Erwachsene einvernehmlich mit Über- und Unterordnung experimentieren und daraus einen gemeinsamen Lustgewinn ziehen, muß der Staat sich mit seiner Reglementierungswut zurückhalten. Allerdings ist es eben sehr schwer, Spiel und Ernst zu unterscheiden. Das, was auf den einschlägigen rape-, spanking- und bondage-Seiten zu sehen ist, entzieht sich oft einer eindeutigen Bewertung. Hat das „Opfer“ nun eingewilligt? Wenn ja, bis zu welchem Grad? Wurde bei der Session auf die ungeschriebene Vertrauensregel nach dem safeword oder bestimmten Gesten, die den sofortigen Abbruch der Aktionen zur Folge haben sollen, geachtet? Wenn nur einer einzigen Person echte Gewalt gegen ihren Willen angetan wurde, haben die strengen Regelungen bereits ihre Berechtigung.

Konstantin Malakas E-Mail: ramalakas@weblawyer.de

DIE INTERNET-POLIZEI

Wo kein Kläger, da kein Richter, war lange Zeit die Devise im Internet. Da dies nicht mehr länger so ist, dafür sorgen zwei Dienststellen beim Bayerischen Landeskriminalamt und beim Polizeipräsidium München. Diese durchforsten das Netz regelmäßig nach Herstellern und Verbreitern harter, insbesondere kinderpornographischer Darstellungen. Um diesem kriminellen Kreis auf die Spur zu kommen, ist die Polizei auch sehr stark auf die Hinweise von Internet-Nutzem angewiesen und nimmt Mitteilungen (auch anonymer Art) entgegen, die zur Klärung der zugrundeliegenden Straftaten führen können. Unter http://www.polizei.bayern.de/schutz/kriyiinal/index.htm finden Sie das Info-Angebot der sogenannten „Netzpatrouillen“ der Polizei. Dort sind auch die einschlägigen Gesetzestexte unter http://www.polizei.bayern.de/schutz/kriminal/kinder/index.htm abgelegt. Aber auch private Initiativen häufen sich. Die Page des Rechtsreferendars Heidrich (http://heidrich.wespe.de/kinderporno/melden.html) zählt zu den am sorgfältigsten recherchierten und aktualisierten in diesem Bereich.

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